Wie das Klimakabinett mit dem CO2-Streit alles blockiert

Gedanken zu CO2-Steuer und Emissionshandel

Matthaei: Meinungsbild
Dank des großen Drucks, den die „Fridays for Future„-Bewegung aufgebaut hat, hat die Bundesregierung ein Klimakabinett gebildet. Einen Kabinettsausschuss, der Maßnahmen identifizieren soll, die geeignet sind, das Klima zu schützen. Hier soll es nicht darum gehen, dass die Regierung bislang Alles zu tun versäumt hat, was sie hätte tun können und tun müssen. Ein Aspekt soll heraus gegriffen werden, der zur Zeit diskutiert wird: Die Umweltministerin Svenja Schulze hat eine CO2-Steuer vorgeschlagen. Der Wirtschaftsminister Peter Altmaier dagegen will eine Ausweitung des Emissionshandels.

Was bedeuten diese Begriffe und warum sind die beiden Regierungskollegen in so erbitterter Gegnerschaft, dass – mal wieder – nichts weiter geht? Und welche Konsequenzen haben die beiden Preissysteme für uns Bürger?

1. Vorschlag: CO2-Steuer

Schulzes Idee einer CO2-Steuer basiert auf den beiden Teilen >Kohlendioxid als Klima schädliches Gas muss vermieden werden< und >Steuern sind zum steuern da<. Durch das Belegen von fossilen Energieträgern mit einer am CO2-Ausstoß orientierten, zusätzlichen Steuer werden diese in dem Maße teurer, wie sie schädlich sind. Das Umweltbundesamt hat einmal den Wert von 110 €/t CO2 als Umweltfolgekosten ermittelt. Ich weiß nicht wie dieser Wert bestimmt wurde, nehme ihn aber mal als das Maß der Dinge. Würde also nun eine Steuer in etwa dieser Höhe erhoben, dann stünde dem Staat Geld zur Verfügung, um Umweltfolgen zu bekämpfen. Also Deiche erhöhen gegen Überflutungen vom steigenden Meer, Überschwemmungsflächen an Flüssen anlegen, Wasserreservoirs für Trockenzeiten anlegen, Erforschung und Ansiedlung resistenter Pflanzenarten etc. Damit ließen sich, so das Kalkül der Umweltministerin, die Menschen in Richtung Dekarbonisierung steuern.

Die Höhe der Steuer hat sie auch bereits beziffert: Es sollen anfänglich 35 € / t CO2 sein, die dann bis 2030 auf 180 € / t gesteigert werden sollen. Damit würde der Preis je Liter Heizöl bzw. Kubikmeter Erdgas anfänglich um ca. 8-10 Cent steigen, was sich im Laufe eines Jahrzehnts auf ca. 40-50 Cent steigerte.

2. Vorschlag: Ausweitung des Emissionshandels

Diese Idee geht davon aus, dass ein gewisses Maß an Kohlendioxidausstoß unschädlich ist. In diesem Maß dürften also fossile Energieträger verbrannt werden, ohne dass es zu einer weiteren Schädigung des Klimas käme. Die unschädliche Menge liegt bei etwa 2 t CO2 pro Person und Jahr. In dieser Größenordnung gäbe es sozusagen Berechtigungsscheine. Wer mehr verbrauchen will, müsste Berechtigungsscheine von jemandem erwerben, der weniger als sein erlaubtes Maß verbraucht.

Es gibt bereits seit 2005 einen europaweiten Emissionshandel, in den jedoch nur Großindustrie und Stromproduzenten einbezogen sind. Der Grundgedanke dabei ist, dass nicht der Staat direkt Einfluss auf den Preis nimmt, sondern die Akteure untereinander den Preis bestimmen. Es hat sich in den vergangenen Jahren jedoch gezeigt, dass die Verknappung der Emissionszertifikate, die von der EU vorgenommen werden müsste, nicht wirklich geschah und dass daher der Preis der Zertifikate gering blieb. Damit gab es letztlich wenig Anreiz für die Industrie, die CO2-Einsparung ernsthaft zu betreiben.

Soziale Aspekte

In allen Debatten um Steuern und Energiepreise kommen Argumente in Richtung: Was ist mit den sozial Schwächeren? (Gemeint sind dabei gar nicht sozial schwächer, sondern finanziell schwächer Gestellte) Was ist mit Mietern, die in einer Wohnung leben, auf deren Heizsystem sie keinen Einfluss nehmen können? Die Umweltministerin will eine Steuerrückerstattung vornehmen, die sozusagen als negative Pro-Kopf-Steuer daher kommt. Also jeder in Deutschland Ansässige bekäme pro Jahr eine Summe von ca. 70 €, später bis zu 350 € vom Staat. Wer sehr CO2-sparsam ist, macht einen Überschuss, wer mit SUV und großer Wohnung weiter für alle die Umwelt verpestet zahlt netto.

Da im Zertifikatehandel der Endverbraucher sicher nicht selbst auftreten würde, sondern eher die Energieversorger die Akteure würden, die die Preise aushandeln, würde der Endverbraucher sicherlich höhere Preis zahlen müssen.

Diese Debatte ist jedoch eine Scheindebatte. Wieder einmal wird versucht, finanzielle Unterschiede der Menschen zu zementieren, indem man scheinbar auf die Bedürfnisse der Unterprivilegierten eingeht. Wird der Preis auf die Einheit CO2 gelegt, dann gibt es einen echten Zusammenhang zwischen Verursacher und Zahler. Das ist viel sozialer als alle Versuche, den weniger Betuchten ein kleines Schmankerl zuzustecken (mit dem nur versteckt werden soll, dass die Reicheren ein größeres Schmankerl bekommen).

Es führte dazu, dass jene, die auf 200 m²/Person wohnen für das Beheizen effektiv mehr zahlen müssten. Wer ein Auto mit 12 l/100 km Verbrauch fährt müsste dafür mehr bezahlen. Das wäre doch sozial. Leider wäre der Flugverkehr auf Grund internationaler Abkommen weiterhin überwiegend von Belastungen ausgenommen.

Zwei Ideen – kein Fortschritt

Beide Vorschläge sind gangbar. Die Steuer könnte auf nationaler Ebene erhoben werden und wäre sehr kurzfristig einsetzbar. Die Ausweitung des Emissionshandels dagegen müsste auf europäischer Ebene beschlossen werden. Dafür wäre Einigkeit der EU-Mitgliedsstaaten erforderlich.

Wahrscheinlich hat Altmaier die Idee gerade deswegen ins Rennen geworfen. Er weiß genau, dass diese Einigkeit nicht zu erzielen ist, die deutsche Regierung könnte sich also wieder mit den Lorbeeren des „Wir haben es ja versucht, aber die Anderen …“ schmücken. Und alles bliebe beim Alten.

Diese Strategie verfolgt Altmaier schon immer. So tun als ob, und dabei effektiv für Stillstand sorgen. Denn Stillstand zementiert die jetzigen Wirtschaftsstrukturen, die die Reichen immer reicher machen. Sozialität im Sinne von Chancengleichheit und wirtschaftlichem Ausgleich sind diesem Menschen ein Gräuel. Auch was Umwelt ist, weiß der Minister nicht, der zur Sitzung des Klimakabinetts mit dem Fahrrad kommt. So tun als ob, das kann er gut. Bewegt hat er in seiner ganzen politischen Laufbahn, so weit ich das beobachten konnte, noch nichts.

Bewertung

Mester: KlimakanzlerinSo bedenkend kann ich nur den Vorschlag der Umweltministerin Svenja Schulze gutheißen.

Es ist nichts verwerfliches daran, einen Preis auf das zu setzen, was wir kaputt machen. Die Auswirkungen der Klimaerwärmung spüren wir bereits. Jahreszeiten geraten in Bewegung, Hitzewellen und Überschwemmungen, sind schon jetzt unsere Begleiter. Getreide wird notreif, Gras wächst in der Trockenheit nicht mehr, der Boden ist Beton-hart und kaum noch zu bearbeiten.

Bis zur Klimakatastrophe ist es nicht mehr weit. Bricht der Golfstrom zusammen, weil die Arktis kein Eis mehr hat, dann bekommen wir in Europa ein kontinentales Klima, wie in Nordamerika. Die Sommer heiß und trocken, mit gelegentlichen Hurrikanen und stationären Gewittern, die Winter mit Blizzards aus dem Norden. Manche Klimaforscher halten sogar eine neue Eiszeit in diesem Fall für möglich.

Die Weltgemeinschaft hat 2015 in Paris beim Weltklimagipfel das Ziel gesetzt, die weltweite Erwärmung unter 2 Grad zu halten. Die deutsche Kanzlerin Merkel ließ sich gerne als Klimakanzlerin feiern – und hat doch alles daran gesetzt, Leute wie Altmaier auf entscheidende Posten zu setzen, wo sie ihr die Drecksarbeit des Verhinderns abnehmen.

Bildnachweise:
O. Matthaei, Archivbild Ingenieurbüro Matthaei
Die Klimakanzlerin, Karrikatur Gerhard Mester, Copyright SFV/Mester 2017

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Ingenieurbüro Matthaei