Woher Schimmel kommt und was man dagegen tun kann

Klimawandel, Lüftung, Heizen, Dämmen – Was sind die Ursachen für Schimmel?

penicillium-camemberti Schimmel ist nicht lecker! Meist ist er sogar krank machend.

Als Energieberater erreichen uns oft Hilferufe von Mietern wie Vermietern. Wohnungen schimmeln, Wände fühlen sich klamm an. Wer ist schuld? ist dann meist die erste Frage. Erst danach kommen die viel sinnvolleren Fragen: Wo kommt das her? und: Was kann man dagegen tun?

Recht ausführlich ist das Thema der Herkunft des Schimmels schon im Fachbeitrag Schimmel – Ein Energiethema ?! berichtet worden. In diesem Beitrag soll es um einen wenig beachteten Zusammenhang gehen. Die Aufgabenstellung ist, heraus zu arbeiten, in wie fern Schimmel durch den Klimawandel begünstigt wird. Oder anders ausgedrückt: Wirkt sich der Klimawandel auch auf das Innenraum-Klima aus. Wir haben dieses Thema im Team kontrovers diskutiert und mir obliegt es nun, Fakten zusammen zu tragen, zu ordnen und zu bewerten.

Der Klimawandel

Nach dem Welt-Klima-Gipfel Paris 2015 ist es sozusagen amtlich: Der Klimawandel findet statt.
Jahresmitteltemperatur-Braunschweig1961-2010 Weltweit. Und auch in Deutschland. Die Pole schmelzen ebenso wie das Gletschereis der Alpen und des Himalaya. Die Wetterdaten, die nun schon seit Jahrzehnten systematisch aufgezeichnet werden, belegen den Trend der Erwärmung der Erdoberfläche. Die Lufttemperatur ist z.B. in Braunschweig von 1961 bis 2010 um 1,7°C gestiegen. Die Grafik wurde der Website norddeutscher-klimamonitor.de entnommen. Sie zeigt die Jahresmitteltemperaturen seit 1961. Die Variation des Wetters um den Klimaverlauf herum ist noch größer als die systematische Änderung, dennoch ist der Trend deutlich erkennbar. Jede Dekade ist wärmer als die vorhergehende.

Die Vermutung unseres Oberingenieurs Olof Matthaei war nun, dass mit der Erwärmung der Luft auch die Feuchtelast steigt. Wenn aber die Luft bereits vor der Nutzung in der Wohnung mehr Feuchtigkeit enthält, sollte seiner Meinung nach der trocknende Erfolg des Lüftens eingeschränkt werden. Und dann könnte der Schimmel begünstigt werden.

Entwicklung der Luftfeuchtigkeit in der Atmosphäre

Entwicklung der relativen Luftfeuchte 1961-2015 in BraunschweigEbenfalls auf der schon zitierten Website norddeutscher-klimamonitor.de fand ich nebenstehende Grafik, die einen komplett gegensätzlichen Verlauf der Luftfeuchte zeigt. Die relative Luftfeuchte ist im Laufe der Jahre nahezu konstant geblieben, ja sogar um 1,9 Prozentpunkte gesunken. Das überrascht zunächst. Über die Ursachen kann man sich Gedanken machen. Regnet feuchtere Luft schneller ab? Ist die Erwärmung des Meers langsamer als diejenige der Luft, so dass der Übergang des Wassers aus dem Meer in die Atmosphäre gebremst ist?

Aber diese Vermutungen führen uns nicht weiter auf dem Weg der Analyse. Entscheidend ist letztlich weniger die relative Luftfeuchte der Außenluft als der absolute Feuchtegehalt. Schließlich wird die Außenluft zur Innenluft und auf das normale Raumtemperaturniveau gebracht. Erst bei der Abkühlung vor kälteren Flächen steigt dann die relative Feuchte wieder auf ein Maß, das für die Schimmelpilzbildung günstig ist. Wir müssten also den absoluten Dampfgehalt oder die Taupunkttemperatur bestimmen.

Dampfdruckentwicklung-Braunschweig1961-2010Die Grafik zeigt, was sich aus den beiden oben stehenden Datenreihen entwickeln ließ: Die obere Kurve zeigt den Sättigungsdruck von Wasserdampf in Luft bei der jeweiligen Jahresmitteltemperatur. Mit dem Wert der relativen Feuchte multipliziert ergibt sich die untere Kurve. Man liest den mittleren Dampfpartialdruck ab. Und siehe da: Die erste Behauptung stimmt. Der Wasseranteil der Luft ist größer geworden. Wir kommen dem Schimmel näher. Allerdings nur sehr wenig. Gerade einmal von 880 auf 950 Pa ist der Dampfpartialdruck gestiegen.

Lüften trocknet die Wohnung

Das Auftreten von Feuchte in Gebäuden kann bauliche Ursachen oder Nutzer-bedingte Ursachen haben. Häufig ist es ein Zusammenwirken beider. Die Herkunft der Feuchte kann aus der Innenraumluft, durch Eindringen von Erdfeuchte durch Bauteile oder aus sonstigen internen oder externen Quellen sein. In ordentlich gebauten Häusern ist das Leben der Menschen darin die wesentliche Feuchtequelle. Eine Person sondert an einem Tag durch Atmung und Schwitzen ca. einen halben Liter Wasser ab. Der pro Person erforderliche Luftwechsel zur sicheren Abfuhr von CO2 und Feuchtigkeit liegt bei 20-30 m³/h.

Bei einer typischen, normalen Belegungsdichte einer Wohnung von 30 m²/Person ist also ein Luftwechsel von knapp 1 m³/h/m² erforderlich. Diesen Wert erreichen nicht maschinell belüftete Wohnungen selten. Nachts unterbleibt auch die Fensterlüftung, so dass die Feuchte im Raum akkumuliert. Nimmt man einen Schlafraum von 20 m² mit zwei schlafenden Erwachsenen an, dann sind (mittlerer Zustand 2010: 10°C/78% r.F.) in den ca. 50 m³ Raumluft vor der Nutzung ca. 5,9 g/kg Wasser enthalten. In 1961 wären es (8,4°C, 88% r.F.) ebenfalls ca. 5,9 g/kg gewesen. Nach Erwärmen der Luft auf 19°C liegt dann die relative Feuchte bei 43,5 – 43,6 %. Wenn zwei Personen über acht Stunden Nachtschlaf ca. einen Drittel Liter Wasser in die Luft und die Betten abgegeben haben, dann steigt (fiktiv ohne Lüftung) der Wassergehalt der Luft auf 6 g/kg + 333 g / (50 m³ ċ 1,2 kg/m³) = 11,55 g/kg, bzw. 84 % r.F.

Da braucht es dann keine kalten Flächen mehr, um dem Schimmel beim Wachsen zuzusehen.

Rechthaben ist klasse!

Und so haben ich in dieser kleinen Rechnung belegt, dass mein Chef nicht immer Recht hat, sondern meine Wahrnehmung sich auch belegen ließ. Der Klimawandel hat – jedenfalls bislang – noch nicht zu vermehrtem Schimmelwachstum in Wohnräumen geführt. Erstens ist die Außenluft gar nicht wirklich feuchter geworden. Und zweitens ist nach wie vor das größte Problem die mangelnde Lüftung. Noch ein weiterer Aspekt könnte beleuchtet werden: Durch die Klimaerwärmung steigen auch die Bauteil-Temperaturen. Wenn es draußen zwei Grad wärmer ist, dann ist auch die Innen-Oberfläche entsprechend wärmer. Die Abkühlung der Luft vor der Fläche führt dann seltener zu kritischer Luftfeuchte (> 80%).

Was kann man gegen den Schimmel machen?

Daraus lässt sich auch direkt ableiten, was zu tun ist: Lüften! Wer nicht gleich eine Wohnungslüftungsanlage installieren möchte, sollte doch zumindest häufig die Fenster aufreißen und richtig lüften. Im oben gerechneten Beispiel kann auch eine Lüftung innerhalb der Wohnung helfen. Wenn man die Schlafzimmertür auflässt, dann verteilen sich Luft und Wasserdampf in der ganzen Wohnung. Die kritische Feuchte wird (hoffentlich) nirgendwo erreicht. Wenn man dann am Morgen ordentlich quer durchlüftet und die Luft in der ganzen Wohnung austauscht, dann könnte es gut gehen.

Bildnachweise:
Camembert, Foto: O.Matthaei 2014
Temperaturentwicklung und relative Feuchte in Braunschweig, Grafiken der Website norddeutscher-klimamonitor.de 2016 entnommen.
Dampfdruckentwicklung, Grafik: K. Müller, Ingenieurbüro Matthaei 2016

Weitere Beiträge zu Klimawandel, Schimmel und Lüftung:

Artikel vom 08.12.2016 von Björn Katz auf stromauskunft.de: Klimaschutz: Mehr Nutzen als Kosten
Artikel vom 04.10.2016: Schimmel in Wohnräumen
Artikel vom 10.03.2015: Trockene Luft durch kontrollierte Wohnraumlüftung
Artikel vom 31.03.2014: Erderwärmung wirkt schlimmer als erwartet

Kommentar

2016-12-09 schrieb Olof Matthaei:

Gut gemacht, Karin! Deine Argumentation ist gut und schlüssig. Nur vielleicht etwas zu allgemein bei den verwendeten Daten. Mit einem Jahresmittelwert für Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit lässt sich das hygrothermische Geschehen in einem Gebäude doch nur sehr eingeschränkt darstellen.

Man müsste sich schon den genauen Verlauf anschauen, also z.B. mit den Simulationsdaten aus den Test-Referenzjahren arbeiten. Aber klar, der Aufwand wäre für das Thema übertrieben. Der Zusammenhang ist klar. Bislang keine relevante Erhöhung des Feuchtegehalts der Luft. Ich fühle mich bestätigt darin, jegliche Effizienzhausplanung ohne Lüftungsanlage abzulehnen, denn das wurde ja auch mal wieder deutlich: Ohne Lüftung geht es nicht.

Schöne Weihnachten, meine Liebe!

Olof

Ingenieurbüro Matthaei