Fernwärme: Energie aus Müllheizkraftwerk wird Steinkohle ersetzen
Wuppertal. Fernwärme wird zukünftig auch im Tal mit dem Primärenergiefaktor Null verfügbar.
Nachdem die Wuppertaler Rundschau vor einer Woche über die geplante unterirdische Fernwärmetrasse von der Müllverbrennungsanlage zum Kohlekraftwerk Kabelstraße berichtete, gab es gestern, am 26. Mai 2015 die erste öffentliche Auftaktveranstaltung der Wuppertaler Stadtwerke (WSW) und der Abfallwirtschaftsgesellschaft Wuppertal (AWG). Die beiden Akteure versuchen, schon zu einem frühen Zeitpunkt die Öffentlichkeit in den Planungsprozess informierend und dialogisch einzubinden.
Die Stadtwerke betreiben ein Fernwärmenetz entlang der Talachse, mit dem insbesondere Industrieunternehmen und Gewerbebauten mit Dampf und Wärme versorgt werden. Der Wärmebedarf ist seit dem Ende der 1980er Jahre jedoch immer weiter gesunken und liegt nun nur noch bei etwa 60% dessen, was zum Ende des letzten Jahrtausends gebraucht wurde. Die Energie für dieses Netz liefern vor Allem zwei Heizkraftwerke in Barmen (Gas) und Elberfeld (Kohle). Da die Stromerzeugung mit Steinkohle mittlerweile unwirtschaftlich geworden ist, wofür insbesondere der billige Strom aus erneuerbaren Quellen verantwortlich ist, soll das Steinkohlekraftwerk stillgelegt werden.
Anders als im letzten Gastbeitrag über den Heizungsaustausch im Digitalzeitalter, in dem sich eine Firma vorstellte die insbesondere Geschäftseffizienz betreibt, will man in Wuppertal jedoch von den fossilen Brennstoffen loskommen. Da weiterhin noch Bedarf an Prozessdampf für etliche Industriekunden besteht, können die SWS als Betreiber des Talnetzes jedoch dieses nicht einfach abschalten. Nach vielen Überlegungen sei man nun zu einer Lösung gekommen, die alle Bedürfnisse befriedige, erläuterte der kaufmännische Vertreter der Stadtwerke auf der Veranstaltung in den Räumen der AWG auf Korzert.
Die AWG, als Wuppertal-Remscheider Kooperationsunternehmen, betreiben ihrerseits ein Wärmenetz auf den Südhöhen, in dem Heißwasser als Wärmeträger läuft. Dieses Netz ist deutlich kleiner als das alte Netz im Tal, das auf eine hundertjährige Geschichte zurück blicken darf. Die im Müllheizkraftwerk (MHKW) erzeugte Wärme kann überwiegend gar nicht genutzt werden. Ein gutes Sponsoring ist daher die Wärmelieferung an das benachbarte Freibad Neuenhof, das sommers und winters zum warmen Baden einlädt. Energie zu verschenken ist aber in Zeiten der Energiewende kein echtes Zukunftskonzept und die Pläne der AWG und WSW sehen daher ganz anders aus:
- Eine neue Fernwärmeleitung soll Dampf aus dem MHKW in die Talachse liefern und so die Teilnetze verbinden. Übergabepunkt wird das Heizwerk Viehhof.
- Investitionen am MHKW werden erforderlich, um Dampf in der gewünschten Menge und Zustand erzeugen zu können.
- Nach Abschluss dieser Arbeiten, wird das Kohlekraftwerk in der Kabelstraße stillgelegt.
Herr Daun (Foto: stehend) berichtete für die WSW über den Prozess der Trassenfindung. Mit der nun gefundenen Trasse beeinträchtige man sehr wenige Anwohner und habe einen Verlauf gefunden, der kaum Eingriffe in die Natur inklusive Straßenbäume bedeute. Er versprach, dass man sich um bestmögliche Information und Kommunikation mit den Bürgern bemühen werde. Dennoch komme es sicherlich zu Beeinträchtigungen. Die anwesenden etwa 30 Bürgerinnen und Bürger schienen von diesen drohenden Beeinträchtigungen jedoch wenig beeindruckt und überwiegend eher von dem Beitrag zur Energiewende angetan zu sein. Immerhin bedeutet die Stilllegung des Kohlekraftwerks eine Reduktion des Kohlendioxidausstoßes für Wuppertal, die einem Drittel dessen entspricht, was für den Verkehr freigesetzt wird.
Anschließend erklärte der Technische Geschäftsführer der AWG, Dipl.-Ing. Conrad Tschersich, die Technik des MHKW und erläuterte die erforderlichen Umbaumaßnahmen. Es müsse als Ergänzung zu den vorhandenen Dampfturbinen, die auf die Stromerzeugung optimiert seien, eine Gegendruckdampfturbine installiert werden. Diese Turbine wird nach dem Dampfbedarf am Ende der Expansion geregelt, so dass sie nur so viel mechanische Energie für den Generator auskoppelt, dass immer genügend Dampf der gewünschten Temperatur von 230°C bei ca. 13 bar zur Verfügung steht.
Auch die anschließende Führung durch das Müllheizkraftwerk rief die Begeisterung der etwa zwanzig Wuppertaler hervor, die sich die Gelegenheit nicht entgehen ließen, sich die ganz große Technik anzusehen. „Wir sind eine Anlage für die Bürger,“ sagte Herr Tschersich als Erklärung für die große Offenheit. So durfte die Besucherin selbst am Leitstand mit dem Kraftwerksmeister sprechen und sich die vielen Anzeigen erklären lassen.
Die Energiewende hat viele Gesichter. Die Wuppertaler Stadtwerke und die Abfallwirtschaftsgesellschaft zeigen hier einen kleinen Baustein: Weg von der Kohle. Und solange wir weiter so viel Müll produzieren, muss sich die AWG um ihren Brennstoff wohl keine Sorgen machen.
Auch für die Bürger entlang der neuen, wie auch in der Nähe der bisherigen, Fernwärmetrassen kann die Nutzung der Fernwärme interessant sein. Denn nicht nur Industrieunternehmen profitieren von Fernwärme mit einem kleinen Primärenergiefaktor, sondern auch für die Beheizung von Privathäusern kann die Fernwärme den Ausschlag für ein Effizienzhaus und damit für eine attraktive Förderung durch die KfW sein.
Bildnachweise:
Fotos: O.Matthaei 2015