Kritik der Förderpolitik

Matthaei: Meinungsbild
Die Bundesregierung hat als verwaltende Stellvertreterin des Staats unter dem Druck der Klimaschützer die Förderung für energetische Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden deutlich erhöht. In den letzten Beiträgen haben wir hierzu bereits die Fakten geliefert. Nun muss die Frage gestellt werden, welchen Effekt diese Maßnahmen haben werden und ob damit dem Klimaschutz wirklich gedient sein wird.

Förderung ist Wirtschaftspolitik

Mich erinnert diese Förderpolitik an die Förderung des Autotauschs in der Finanzkrise. Es wurde damals haufenweise Geld ausgegeben, mit dem sich Leute neue Autos kaufen konnten und die alten sollten verschrottet werden. Tatsächlich landeten viele davon in Afrika und dem ferneren Osteuropa. Es entspricht der Logik unseres Wirtschaftssystems, dass der Konsum Treiber eines Wirtschaftswachstums ist. Und das Wirtschaftswachstum ist die heilige Kuh, die nicht gefährdet werden darf.

Genauso wird jetzt durch die Förderung der energetischen Sanierung das Baugeschäft weiter angetrieben. Es ist zu merken, dass seit Jahresanfang der Auftragseingang für Energieberatungen deutlich gestiegen ist. Erfreulicherweise merke ich, dass dabei auch immer mehr Menschen sind, die den Klimaschutz ernster nehmen als früher. Die Diskussion des letzten Jahres hat viele wachgerüttelt. Freitags für den Klimaschutz zu streiken war nicht nur für Schüler ein happening, sondern für das ganze Volk ein Hingucker und Aufreger. Wenn auch viele dagegen polemisierten, womit sich gerade die polykonservativen Parteien AFD und FDP hervortaten, so haben doch viele Menschen das Anliegen der streikenden Schüler verstanden und sich zu eigen gemacht. Mehrere Klagen gegen die Bundesregierung wegen Untätigkeit in Sachen Klimaschutz sind vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Diese Entwicklung war noch vor einigen Jahren kaum zu erhoffen gewesen.

Energieberatung für den Klimaschutz

Doch die weitaus meisten Anfrager für Energieberatungen wollen nur weitere Fördermittel für Maßnahmen an ihren Gebäuden bekommen. Und da geht der Weg nun mal über die Energie-Effizienz-Experten, die von der KfW und dem BAFA anerkannt sind. Eine ohnehin überlastete Baubranche soll jetzt noch mehr leisten. Die Folge ist, dass die Preise für alles am Bau weiter steigen. In den letzten fünf Jahren sind die Preise bereits um fast 50% gestiegen. Dadurch werden Energieeffizienzmaßnahmen immer unwirtschaftlicher, denn die Energiepreise stagnieren bzw. fallen. Durch eine völlig verdrehte Politik steigen dagegen die Preise für elektrischen Strom, was dem Strom aus erneuerbaren Quellen angelastet wird. Was aber gelogen ist, wie jeder bestätigen wird, der sich intensiver mit der Strompreisthematik auseinandersetzt. Die Gestehungspreise für Ökostrom sind extrem niedrig. Dagegen sind die Subventionen für Braun- und Steinkohlekraftwerke, die Abfindungen für Atomkraftwerke, die garantierten Gewinne beim Netzbetrieb die eigentlichen Preistreiber.

Diagramm: EnergiepreisentwicklungDie Energieberatung steht immer wieder vor der Herausforderung Wirtschaftlichkeit darzustellen. Eine Maßnahme ist nur dann eine gute Maßnahme, wenn sie sich innerhalb möglichst kurzer Zeit amortisiert. Das bei steigenden Preisen für die Maßnahmen und sinkenden Preisen für Energie darzustellen erfordert einen gekonnten Umgang mit alternativen Fakten. Da ich kein freund solcher Lügen bin, steht in meinen Berichten dann immer wieder: „Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist diese Maßnahmenkombination unsinnig. Jedenfalls bei den derzeit niedrigen Energiepreisen amortisiert sich das nicht.“

Die Begründung kann immer nur durch steigenden Wohnkomfort und Klimaschutz gegeben werden. Die Komfortsteigerung durch ausgeglichenere Temperaturen zwischen den Oberflächen und zwischen Oberflächen und Raumluft ist schnell erreicht. Selbst eine Wand mit einem U-Wert von 0,8 W/m²K spendet die notwendige Behaglichkeit. Der Klimaschutz ist schwieriger zu bewerkstelligen. Es ist ein Gesamtkunstwerk, ein nicht zu sehr Klima schädigendes Gebäude zu bauen. Schließlich verbauen wir mit jedem Baustoff auch Energie. Die Materialien selber, die Herstellung und, wenn man weiter denken mag, auch der Rückbau und die Entsorgung bzw. das Recycling stehen zur Diskussion.

In der klassischen Bauweise verbraucht ein Gebäude den überwiegenden Teil der Energie während der Nutzungsphase. Beheizen und Kühlen, je nach Bilanzierungsmethode auch Beleuchten, beanspruchen in einer dreißig bis vierzig Jahre währenden Nutzungsdauer wesentlich mehr Energie, als in das Haus verbaut wurde. Je effizienter jedoch die Häuser werden, desto geringer wird dieser Anteil und dann geraten die Ressourcen und Kosten für das Bauen und Beseitigen nach der Nutzung in den Fokus. Dieses Themas nimmt sich die Energieplanung bislang noch kaum an. Der Staat verlangt es auch nicht, in Bauordnungen spielt Ressourceneffizienz keine Rolle.

Ziel: Klimaneutralität

Die Gesetzgebung ist darauf verpflichtet, dafür zu sorgen, dass bis 2050 ein „nahezu klimaneutraler“ Gebäudebestand erreicht wird. Das Umweltbundesamt hat bereits vor vier Jahren (2/2016) eine Studie vorgelegt, in der aufgezeigt wird, wie das gehen kann (UBA: Klimaneutraler Gebäudebestand). Im Eckpunktepapier Energieeffizienz aus 2011 wird folgende Definition für die schwammige Formulierung verwendet: „Bis 2050 wollen wir einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand realisieren. Klimaneutral heißt, dass die Gebäude nur noch einen sehr geringen Energiebedarf aufweisen und der verbleibende Energiebedarf (Minderung des Primärenergiebedarfs um 80 % bis 2050) zum überwiegenden Teil durch erneuerbare Energien gedeckt wird.“

Um das herunter zu brechen: Es muss der Endenergiebedarf des Gebäudes gesenkt werden und dann zum größten Teil aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden.

Nicht weiter diskutiert wird hier, dass das Ziel bis 2050 in viel zu großer zeitlicher Ferne liegt. Wir müssen viel schneller handeln, um noch ein Chance zu haben, das Klima günstig zu beeinflussen.

Förderung verfehlt das Ziel

Nun fördert die Bundesregierung (durch das BMWi und weiter BAFA und KfW) jedoch nicht direkt dieses Ziel eines „nahezu klimaneutralen“ Gebäudes. Es werden diverse Maßnahmen kofinanziert, die in den Gebäuden Zustände festschreiben, die von den Eigentümern sicherlich über Jahrzehnte nicht mehr verändert werden. Bei den Einzelmaßnahmen erscheint mir das unkritisch. Die Förderrichtlinien der KfW sind streng genug. Wenn ein Dach auf einen U-Wert von unter 0,14 W/m²K oder eine Wand unter 0,20 W/m²K gebracht wird, dann stellt das vermutlich meistens eine gute Lösung dar. Der Ausgleich zwischen Aufwand (an Ressourcen) und Nutzen (für das Klima) steht in einem guten Verhältnis.

Anders sieht es mit der Effizienzhaussanierung aus. Weiterhin werden durch die KfW Sanierungen gefördert, bei denen lediglich der Level Effizienzhaus 115 erreicht wird. Das ist ein Haus, dessen Gebäudehülle um 30 % schlechter und der Aufwand an nicht erneuerbarer Primärenergie um 15% höher als der des Referenzgebäudes sein darf. Das Referenzgebäude an sich liegt dabei weit entfernt von einem klimaneutralen Gebäude!

Für die Effizienzhaus 115-Sanierung gewährt die KfW einen Zuschuss von 25% zu den Sanierungskosten. Bei der Sanierung zu einem Effizienzhaus 55 liegt der Zuschuss bei 40%. Die Mehrkosten für die aufwändigere Sanierung liegen dabei nicht nur in mehr Dämmstoff sondern in mehr Planung, mehr Gedanken und mehr Sorgfalt. Die Mehrkosten können schnell die höhere Förderung auffressen. Da aber die energetischen Sanierungen stets unter dem (verkehrten) Primat der Wirtschaftlichkeit stehen und die Bauherren mehr über die verfügbaren Investitionsmittel nachdenken als über den weiteren Betrieb der Immobilie, unterbleiben die höherwertigen Sanierungen.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert daher auch völlig richtig in einem „10-Punkte-Sofortprogramm“, dass nur Sanierungen zum Effizienzhaus 55 gefördert werden, bzw. solche Einzelmaßnahmen die auf dem individuellen Sanierungsfahrplan dorthin führen. Für den Neubau fordert man dort sogar den Level des Effizienzhauses 40. Damit bewegen wir uns auf Passivhaus-Niveau. Ich kann diese Forderungen nur unterstreichen.

Fazit

Mit der gegenwärtigen Förderpolitik hat die Bundesregierung wieder einmal verpasst die Weichen zum Ziel zu stellen. Sie vertut Chancen, Sanierungen auf den Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand zu bringen. Was sie erreicht ist die massive Ausweitung von Wirtschaftshandeln, v.a. in der Baubranche. Damit betreibt sie eine weitere Expansionspolitik für die Wirtschaft und keine Klimapolitik.

Wünschenswert wäre eine Ordnungspolitik, die sämtliches Handeln auf das Ziel der Klimaneutralität ausrichtet und einfordert.

Bildnachweise:
O. Matthaei, Archivbild Ingenieurbüro Matthaei
Energiepreisentwicklung, Grafik: IB Matthaei 2020

Weitere Beiträge zum Thema Förderung:
Deutsche Umwelthilfe: 10-Punkte-Sofortprogramm
Artikel vom 03.01.2020: Änderungen der KfW-Förderung
Artikel vom 26.04.2017: Fordern und Fördern beim Klimaschutz

Ingenieurbüro Matthaei