Bäume wachsen heute schneller
Noch hat der Winter den Wald fest im Griff und die Bäume wachsen nicht. Im deutschen kühl-gemäßigten Klima machen die meisten Pflanzen eine Winterpause. Diese wird jedoch immer kürzer, wie Forschungen der Technischen Universität München ergaben. Was wiederum dazu führt, dass die Bäume um bis zu 70% schneller wachsen. Der Erhöhung des CO2-Anteils der Luft und der dadurch hervorgerufenen Klimaveränderung sei dank, haben die Bäume auf den seit 1870 ständig unter Beobachtung stehenden Wald-Versuchsflächen ihren Stoffwechsel derart beschleunigt, dass nach den Beobachtungen der Forscher die Buchen um 77% und die Fichten um 32% schneller wachsen als noch 1960.
Bäume wachsen nicht in den Himmel
Leider verheißen uns die Untersuchungen des TUM-Lehrstuhls für Wachstumskunde nicht, dass wir nun Himmel stürmende Bäume bekämen. Der Wald hat sich in Aussehen und Zusammensetzung kaum geändert. Alles läuft nur wesentlich schneller ab. Für die Forstbetreiber bedeutet dies kürzere Umtriebszeiten und somit höhere Erntemengen. Allerdings weist Prof. Hans Pretzsch darauf hin, dass in den Ertragsmodellen bislang noch im Wesentlichen auf Zeitmuster geschaut werde, so dass die höheren Erträge nicht unbedingt auch genutzt werden. Daneben gebe es durch die schnellere Alterung der Bäume für das gesamte Waldökosystem Veränderungen: „Das bekommen besonders die Pflanzen- und Tierarten zu spüren, deren Habitate von speziellen Waldentwicklungsphasen und -strukturen abhängen. Höhere Mobilität kann für sie zu einer Lebensnotwendigkeit werden.“
Ein Schelm jedoch, wer daraus ableitete, der Klimawandel sei nützlich. Die Entwicklung des Weltklimas hat für ein eher kühles Land wie Deutschland teilweise positive Auswirkungen. Welche aber, außer dem Baumwachstum, relevant sind, lässt sich noch kaum abschätzen. Die Beobachtungen und daraus abgeleiteten Anpassungsstrategien (vergleiche auch Beitrag vom 31.März 2014 Erderwärmung wirkt schlimmer als erwartet) weisen eher in eine pessimistische Richtung.
Langzeitbeobachtungen liefern wichtige Erkenntnisse
Die Studie des Lehrstuhls für Waldwachstumskunde basiert auf insgesamt 600.000 Einzelmessungen an Bäumen seit 1870. Über einen so langen Zeitraum lässt sich am Wachstum der Bäume ablesen, wie sie überall auf die sich wandelnden Umweltbedingungen reagieren. Prof. Hans Pretzsch: „Obwohl die Versuchsflächen hinsichtlich Klima und Bodenbeschaffenheit variieren, lässt sich überall ein Trend zum schnelleren Wachstum erkennen.“
Doch nicht nur die Versuchsflächen und der lange Beobachtungszeitraum machen die Daten so interessant. „Wir betrachten die Bäume nicht isoliert, sondern immer in der Wechselwirkung mit ihren Nachbarn. So können wir verstehen, wie sich die Dynamik einzelner Bäume auf den ganzen Bestand auswirkt. Die Wachstumstrends auf Bestandsebene sind entscheidend für die Forstwirtschaft, wenn wir über Produktivität, CO2-Speicherung und Klimarisiken sprechen“, so Pretzsch abschließend.
Die Studie ist in Nature Communications veröffentlicht.
Bildnachweise:
„Bäume im Winterwald“, Foto: O.Matthaei-2015