Kommt Deutschland auf den 1,5°-Pfad?
Der Solarenergie-Förderverein SFV hat in einem Video-Statement und in einer direkten Anfrage an das BMWK nachgehakt, aufgrund welcher Zahlen die Bundesregierung zu der Behauptung gelangt, sie befinde sich mit den derzeitigen Planungen auf einem 1,5°C-Pfad. Nach den Berechnungen des IPCC (des „Weltklimarats“) standen Deutschland 2020 noch 4 Gigatonnen CO2-Ausstoß zu, gemessen an der Bevölkerungszahl. Die Pläne der Bundesregierung laufen aber auf eine Emission von mehr als 10 Gt hinaus. – Seither wartet die anerkannte Umweltschutzorganisation auf eine Antwort.
Am 10. Mai 2022 fand das bisher größte Webinar der Reihe „Europe Calling“ zur Energiepolitik statt.[1] 3800 Teilnehmende hatten sich angemeldet. Die Staatssekretäre im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Patrick Graichen und Oliver Krischer diskutierten mit der Ökonomin Claudia Kemfert über das „Osterpaket“. Acht Umweltschutz-Organisationen steuerten kurze Statements bei, die von den Expert*innen beantwortet werden sollten. Dazu gehörte auch der SFV.
Die Antwort von Staatssekretär Graichen auf diese Frage war erstaunlich: Er äußerte, man könne das global angenommene Emissionsbudget eben nicht einfach nach Einwohnerzahl auf die einzelnen Staaten umlegen. Deutschland müsse als Industrienation andere Standards anlegen; die Regierung beziehe sich dabei auf die 1,5°-Szenarien der Internationalen Energie-Agentur (IEA).
Der IEA? Dieser von den OECD-Staaten gegründete Verein ist berüchtigt dafür, dass er seit Jahrzehnten in seinen Prognosen, die er im jährlichen “World Energy Outlook“ vorträgt, die Potenziale der Erneuerbaren Energien in geradezu grotesker Weise kleinredet. So erwartete er 2008 für das Jahr 2030 eine globale PV-Leistung von 200 GW; 2017 lag der tatsächliche Wert jedoch bereits bei über 400 GW. Im aktuellen “World Energy Outlook“ geht die IEA großzügig von einem Anfang 2020 verbliebenen Emissions-Budget von 500 Gt aus, was laut IPCC die 1,5°C-Grenze nur mit 50%iger Wahrscheinlichkeit einzuhalten erlaubt. Die dadurch erst für 2050 angestrebten Netto-Null-Emissionen sollen zum großen Teil durch CDR-Techniken (Carbon Dioxide Removal) erreicht werden (im Jahr 2050 im Umfang von 7,6 Gt[4]), während weiter in großem Umfang fossile Brennstoffe verbrannt werden. Für die Erneuerbaren Energien wird im Jahr 2050 ein globaler Anteil an der Energieerzeugung von nur 67 Prozent angenommen (zuzüglich stolzer 11% Atomkraft).
Bildnachweis:
Alternative Reduktionspfade, Grafik des SFV e.V., entnommen dem unten verlinkten Beitrag, 2022
Weitere Beiträge zum Thema verfehlter Klimapolitik:
[1] Die Veranstaltung „Europe Calling“ vom 10.05.2022 ist unter https://www.youtube.com/watch?v=j6RHz5PMnYk veröffentlicht.
Artikel von Rüdiger Haude, SFV vom 12.05.2022: Befindet sich Deutschland auf einem 1,5°C-Pfad?
Artikel vom 01.12.2021: BRD weiter auf Tiefflug
Artikel vom 29.04.2021: Klimaklage erfolgreich