Klimaschutz hat Verfassungsrang

Matthaei: Meinungsbild

Ein Kommentar zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Die Klimaklage war nicht der erste Angriff gegen die Bundesrepublik und ihre Organe. Die meisten Klagen, insbesondere Entschädigungsklagen gegen den Staat und gegen Unternehmen, die sehr viel CO2 emittiert haben, sind nicht einmal angenommen worden. Es ist aber spürbar, dass nationale und internationale Gerichte dem Thema Klimaschutz eine wachsende Bedeutung beimessen.

Liest man nun die Entscheidungen und Begründungen des Gerichts, dann kommt es mir immer noch wie eine Ohrfeige light für das Parlament und die Regierung vor. Das Bundesverfassungsgericht versteht sich als ein Organ des Staats, dessen Aufgabe es ist, entlang der geltenden Verfassung, also des Grundgesetzbuchs, das reibungsarme Funktionieren des gesamten Gemeinwesens zu unterstützen. Nur vor dem justiziablen Hintergrund werden Entscheidungen gefällt. Die sachlichen Entscheidungen müssen dagegen von den Parlamenten getroffen und von den Regierungen umgesetzt werden.

Richter versuchen gerne salomonische Weisheiten von sich zu geben. Als integraler Teil der bundesrepublikanischen Ordnung tritt das BVerfG selten der BRD an sich auf die Füße. Und das politische Establishment in Berlin versucht nun auch flugs aus dem Urteil eine Anerkennung seiner Arbeit zu ziehen. Der einzige Auftrag an das Parlament sei nun, den Reduktionspfad über 2030 hinaus schon jetzt zu definieren. So sehen es Wirtschaftsminister und Konsorten. Ansonsten: Weitermachen wie bisher.

Dabei steckt in diesem Urteil ein Kern, der zukünftigen Prozessen den Weg bereitet: „Danach darf nicht einer Generation zugestanden werden, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2 -Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde.“

Was aber nützt uns, dass das Gericht dafür sorgt, dass zukünftig wieder Klagen erhoben werden können, wenn die Politik nicht für eine Ordnung sorgt, in der solche Klagen gar nicht notwendig werden. Der Prozess der Klimakatastrophe ist ab einem Punkt unumkehrbar. Wir wissen noch nicht einmal, ob wir diesen Punkt nicht vielleicht schon überschritten haben.

Wenn nun CDU-Politiker Altmaier sich im „heute-journal“ am 29.4. zu dem Urteil mit dem Wunsch äußert, dass auch andere Parteien die Bereitschaft zeigen möchten, dieses Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten, dann ist das ein Verhöhnen des Verfassungsgerichts – und des Volks.

„Das entscheidende Thema des 21. Jahrhunderts zu vernachlässigen wäre fahrlässig und demokratiefern. Deswegen setzen wir uns im Superwahljahr 2021 dafür ein, dass das Klima-Thema den Stellenwert erhält, den es in einer Demokratie verdient,“ schreibt Rüdiger Haude vom SFV in seinem Kommentar vom 30.4.. Dem kann ich mich nur anschließen.

Jeder, der eine Zukunft der Welt erhalten will, muss dafür sorgen, dass die CDU/FDP/SPD nicht mehr das Sagen in den Parlamenten haben. Wir Bürger sind zu dumm, selbstständig, ohne die Anleitung und den Ordnungsrahmen des Staates uns so zu verhalten, dass die Klimakatastrophe abgewandt würde. Also müssen wir dafür sorgen, dass Parteien und Menschen in Machtpositionen kommen, die konsequenten Klimaschutz wollen und machen. Es wird unangenehm werden. Pfründe werden wegfallen. Wir werden mit weniger auskommen müssen und auf vieles verzichten müssen, was uns derzeit als uns zustehend erscheint. Aber je früher wir handeln, desto besser sind die Chancen dafür, dass die Erde auch in 30 Jahren noch bewohnbar sein wird. Das ist der Kern der Karlsruher Entscheidung. Nein, das werden wir nicht aus dem Wahlkampf heraushalten!

Dies ist ein Kommentar auf den Artikel vom 29.4.2021: Klimaklage erfolgreich.

Bildnachweis:
O. Matthaei, Archivbild Ingenieurbüro Matthaei

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