Alternativvorschläge für Weiterentwicklung der Energieeinsparung

Matthaei: MeinungsbildDie Bundesregierung betreibt ihre Energieeinspar- und Klimaschutzpolitik durch eine zerstückelte Gesetzgebung und halbherzige Maßnahmen. Diese werden von verschiedenen Akteuren kritisch und kontrovers begleitet. Während Umweltschutzorganisationen die eigentlichen Maßnahmen zur Energieeinsparung fehlen und der tatsächliche Energiekonsum und CO2-Ausstoß mit ihrem Steigen eben das untermauern, sind Bauunternehmen und Immobilienwirtschaft vor Allem an den wirtschaftlichen Bedingungen interessiert und wehren sich gegen jede Maßnahme.

In diesem Kontext hat nun der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss) Alternativvorschläge zur energetischen Ertüchtigung des Gebäudebestands in Deutschlands sowie weitere Forderungen für den Neubau vorgelegt. Die Maßnahmen wurden von Experten aus Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft innerhalb der „Task Force Energie“ des ZIA erarbeitet. Laut einer ersten Schätzung der Experten können die entwickelten Vorschläge die CO2-Emissionen des Gebäudesektors um 56 Mio. t/a reduzieren. Das entspricht einer Senkung des im Klimaschutzplan 2050 festgestellten Ausstoßes im Sektor für das Jahr 2014 (119 Mio. t/a) um fast 50 %.

Vorschläge des Zentralen Immobilien-Auschusses

„Mit den vorgelegten Alternativvorschlägen wollen wir den Dialog mit der Bundesregierung intensivieren und auf die Bedürfnisse der Immobilienwirtschaft hinweisen“, erklärt Thomas Zinnöcker, Vizepräsident des ZIA und Vorsitzender der Task Force Energie. „Wir können nicht zulassen, dass Regulierungen ohne Augenmaß das Wohl der gesamten Branche und ihrer Mieter gefährden.“

Im Folgenden Auszüge aus dem Bericht des ZIA. Meine Kommentare stehen jeweils direkt hinter den Aussagen:

Mit den folgenden Vorschlägen will der ZIA gemeinsam mit der Politik die Energiewende im Gebäudebereich erfolgreich gestalten. Sie stellen eine sinnvolle Weiterentwicklung des jetzigen Energieeinsparrechts dar:

Niedrigstenergiegebäudestandard

1) Der ZIA fordert, die aktuell gültigen Anforderungen im Energieeinsparrecht (EnEV 2016) als nationalen Niedrigstenergiegebäudestandard zu definieren, wie er von der EU-Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie vorgeschrieben wird.

Kommentar

Damit würde ein Status zum zukünftigen Endziel erhoben. Weitere Einsparung wäre dann nicht mehr nötig. Das Nahe-Null-Energiehaus würde es nie geben. Dabei übersieht die „Expertenrunde“ des ZIA geflissentlich, dass es schon lange das Passivhaus und Plusenergiehäuser gibt, die funktionieren.

Erweiterung der Bilanzierungsgrenzen in der EnEV und im EEWärmeG

2) Die Rahmenbedingungen zur Nutzung aller erneuerbarer Energien im Gebäude müssen verbessert werden. Auch die nicht unmittelbar gebäudebezogenen Träger erneuerbarer Energie müssen in die Bilanzierung einbezogen werden, z.B. Solarstrom aus PV-Anlagen im Quartier, Direktinvestitionen von Unternehmen in Offshore-Windanlagen und zertifizierter Grünstrom bzw. Biogas mit qualitativ hochwertigen Zertifikaten.

Kommentar

Damit kann sich der Bauherr freikaufen. Ein Problem dabei stellt dar, dass Investitionen zum Zeitpunkt der Bauantragsstellung vielleicht getätigt werden. Nach Fertigstellung werden die dann verkauft und das Gebäude bleibt ohne Bezug zu erneuerbaren Quellen. Als Geschäftsmodell ließe sich die zeitweise Veräußerung von Anteilen an einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien denken. Die Anteile könnten dann jedesmal wieder für einen neuen Bau genutzt werden. Das funktioniert ähnlich wie die Umsatzsteuer-Betrügereien, die wir in den letzten Jahren oft hatten.

Einführung eines Monitoring-Systems

3) Der ZIA spricht sich dafür aus, ein intelligentes Monitoring- System der entstehenden CO2- Emissionen als Anreizsystematik auf Grundlage des ZIA- Leitfadens „Nachhaltigkeitsbenchmarking“ (inklusive Definition, Berechnungs- und Erfassungsgrundlage) zu implementieren. Auf diese Weise lassen sich die Einstellungen der technischen Anlagen im laufenden Gebäudebetrieb optimieren und effizient gestalten. In Rahmen eines solchen Monitorings sollten bestehende Berechnungswerkzeuge flexibel genutzt werden können.

Kommentar

„Flexible Nutzung?“ Das hört sich sehr nach Beliebigkeit an.

 
Im Abschnitt

IV. Position zum Bestand: Ertüchtigung des Gebäudebestands

heißt es:
Das Ziel eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestands erfordert von der Immobilienwirtschaft ein hohes Maß an Anstrengung. Die folgenden Vorschläge ermöglichen am ehesten eine sachgerechte und zielgerichtete Reduktion der CO2-Emissionen im Gebäudebestand:
1) Um den Gebäudebestand kontinuierlich zu verbessern, empfiehlt sich eine bundesweite Datenbank, um die CO2-Emissionen zu erfassen und die individuellen Einsparziele durch die Bundesregierung zu hinterlegen.
a. Mitteleinsatz des Staats zur Erreichung der Ziele: kein Einsatz
b. Mitteleinsatz der Eigentümer zur Erreichung der Ziele: geringer Aufwand

Kommentar

Soll die Bundesregierung für jedes Gebäude individuelle Ziel formulieren? Das kann sie nicht und das ist nicht ihre Aufgabe. Eine Datenbank ist schön für die Statistik aber hilft nicht beim Handeln. Jedes Gebäude kann nur individuell betrachtet und verbessert werden.

2) Der Gebäudebestand lässt sich energetisch optimieren, indem ein Portfoliomanagement im Sinne des Portfolioansatzes angewendet wird:
Statt viel Aufwand für eine im Ergebnis minimale CO2-Einsparung der Einzelimmobile zu betreiben, lässt sich durch einen im Verhältnis geringeren Einsatz bezogen auf das Immobilienportfolio mehr CO2 einsparen.
Anders ausgedrückt: Ähnlich dem Flottenverbrauch der Autoindustrie ist der Gebäudeeigentümer durch einen Portfolioansatz in der Lage, die Emissionen der Treibhausgase durch geringstmöglichen Mitteleinsatz größtmöglich zu reduzieren.
a. Mitteleinsatz des Staats zur Erreichung der Ziele: kein Einsatz
b. Mitteleinsatz der Eigentümer zur Erreichung der Ziele: mittlerer Aufwand

Kommentar

Man muss schon ganz schön mutig sein, um sich mit der Automobilindustrie zu vergleichen. Die hat uns ja gerade vorgemacht, welche kriminelle Energie hinter dem Profitstreben steht.

3) Es muss eine neue Fördersystematik für Maßnahmen der Energieeffizienzsteigerung bei Bestandsgebäuden entwickelt werden.
In der neuen Fördersystematik ist es notwendig, Förderschwerpunkte zu setzen. Diese liegen bei Maßnahmen zur Betriebsoptimierung, zur energetischen Sanierung und zur Qualifizierung von Fachkräften sowie von Beratungsleistungen.
a. Mitteleinsatz des Staats zur Erreichung der Ziele: mittlerer Einsatz
b. Mitteleinsatz der Eigentümer zur Erreichung der Ziele: mittlerer Aufwand

Kommentar

Da erzählt das Papier nichts Neues.
Wie wäre es mit „Keine Förderung“? Statt dessen fordern, dass die Ziele erreicht werden. Mitteleinsatz des Staats: Keiner!

4) Die Betriebskostenverordnung bedarf einer Anpassung, d.h. die Umlagefähigkeit von Betriebsoptimierungen muss verbessert werden.
a. Mitteleinsatz des Staats zur Erreichung der Ziele: kein Einsatz
b. Mitteleinsatz der Eigentümer zur Erreichung der Ziele: geringer Aufwand

Kommentar

Es fehlt dabei eine Zeile:
c. Mitteleinsatz der Mieter zur Erreichung der Ziele: vollständiger Einsatz.
Wieder einmal wollen die Habenden ihre Kosten auf die Nichthabenden abwälzen.

5) Eine steuerliche Abschreibung von energetischen Sanierungen bei Gebäuden ist zwingend einzuführen.
a. Mitteleinsatz des Staats zur Erreichung der Ziele: mittlerer Einsatz
b. Mitteleinsatz der Eigentümer zur Erreichung der Ziele: mittlerer Aufwand

Kommentar

Wer zwingt hier wen? Was ist mit den Hausbesitzern, die keine oder wenig Steuern zahlen, weil sie nicht zu den Großverdienern gehören? Dem Verband geht es immer nur um Gewinnmaximierung für die sowieso Reichen. Von Verantwortung für irgendetwas sonst ist nie die Rede.

Der ZIA orientiert sich am Klimaschutz?

Es gäbe noch etliche Positionen und weitere Kommentare. Allein, das macht keine Freude! Es gibt ein verbales Bekenntniss des ZIA zur Energiewende und den klimapolitischen Zielen:
Die Energiewende stellt eine der größten Herausforderungen für Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland dar. Ihre Umsetzung wird mehrere Legislaturperioden in Anspruch nehmen, vermutlich sogar zwei Generationen beschäftigen. Sie wird nach Überzeugung des ZIA nur dann gelingen, wenn diese Aufgabe von allen Beteiligten gemeinsam und gleichermaßen verantwortlich angenommen wird. In diesem Sinne unterstützt der ZIA die energie- und klimaschutzpolitischen Ziele der Bundesregierung und begrüßt deren Bekenntnis, Energieeffizienz zur „zweiten Säule“ der Energiewende zu machen und „Energieeffizienz im Gebäude voranbringen“ zu wollen.

Wenn man aber die Vorschläge liest, wird sehr schnell deutlich, dass die Organisation der Immobilieneigner überhaupt kein Interesse daran hat, selbst einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Das wirtschaftliche Primat steht weit über jeder gesellschafts- und klimapolitischen Verantwortung. „Solange der Profit gesichert ist, spielen wir mit. Ansonsten nicht!“ lautet die unausgesprochene Botschaft.

Man kann nur hoffen, dass in der neuen Bundesregierung nicht nur Deppen sitzen, die sich einwickeln lassen, sondern selbständig denkende Menschen.

Das Positionspapier des ZIA finden Sie hier.

Weitere Beiträge zum Themenkomplex Klimaschutz und Profit:
Artikel vom 26.04.2017: Fordern und Fördern beim Klimaschutz
Artikel vom 09.02.2017: GEG: Gebäude-Energie-Gesetz wird verhandelt

Ingenieurbüro Matthaei