Die Energiepreise steigen – endlich!
Als notorischer Weltretter und Energieberater freue ich mich über die steigenden Energiepreise. Bevor Sie nun zum Lynchen ansetzen, bitte ich Sie zu lesen und zu verstehen, was ich dazu zu sagen habe.
Ursachen der Preisentwicklung
Die nebenstehende Grafik zeigt die Preisentwicklung der für Verbraucher wesentlichen Energieträger: Heizöl, Erdgas, Strom und Benzin. Man sieht, dass seit 2008 die Preise für Kraftstoff und Heiz-Brennstoff nahezu konstant geblieben sind, mit einem Rückgang zwischen 2015 und 2020. Erst seit wenigen Wochen erfolgt ein rascherer Preisanstieg. Anders sieht es beim elektrischen Strom aus. Hier kletterte die Preiskurve im Verlauf der letzten Jahre stetig.
Die Ursachen sind unterschiedlicher Art. Beim Strom haben vorwiegend innenpolitische Entscheidungen den Preis in die Höhe getrieben. Die Börsenpreise sanken durch den Eintrag von immer mehr Energie aus erneuerbaren Quellen, ganz einfach, weil nach der Investition in die Anlagen, die Gewinnung nahezu kostenfrei erfolgen kann. Ganz anders bei den fossilen Brennstoff verheizenden Kraftwerken, wo nach der teuren Investition in ein Kraftwerk auch noch ständig Nachschub an Brennstoff gebraucht wird. Noch schlimmer bei Kernkraftwerken, deren Investitionskosten noch höher liegen und die Entsorgungskosten für den Atommüll auf Jahrtausende noch gar nicht real eingepreist wurden.
Die Politik hat jedoch entschieden, das Großkapital der alten Kraftwerksbetreiber gnadenlos für den nach Verdrängung durch erneuerbare Quellen entgehenden Gewinn zu entschädigen und die Endverbraucher müssen unter dem Deckmantel von Umlage der EEG-Kosten diese Subventionen für kaputt gebaggerte Flächen, Luft verdreckende Kraftwerke und Endlager-Suche bezahlen.
Bei den fossilen Energieträgern hat sich dagegen in den letzten Jahren wenig an der politischen Behandlung geändert. Erst seit Anfang 2021 wird – sehr vorsichtig – ein Instrument zur künstlichen Verteuerung durch CO2-Abgaben eingesetzt, das auf den Preis bislang kaum Einfluss hatte. Hier sind die Weltmarktpreise und Spekulationen die bestimmenden Größen. Während der Corona-Rezession wurde nach Reduktion der Absatzzahlen in vielen Förderländern auch die Produktion reduziert. Nun ist etwa im August 2021 sprunghaft der Bedarf an Erdöl wieder angestiegen, was zu drastisch steigenden Preisen führte. Im Zusammenhang mit dem Erdgaspreis ist auf North Stream II zu verweisen, das bereits jetzt von Russland als Erpressungsinstrument eingesetzt zu werden scheint. Der Erdgaspreis auf dem europäischen Markt hat sich vervielfacht. Bei den Verbrauchern ist dies noch nicht angekommen, weil die Preise von den Versorgungsunternehmen üblicherweise nur einmal im Jahr angepasst werden.
Folgen der Energiepreise
So weit zum Hintergrund. Nun zu den Auswirkungen.
Wenn in den letzten Jahren Energieberatungsberichte erstellt wurden, dann hieß es darin oft, dass Maßnahmen unwirtschaftlich sind, weil die Energiekosten gering, die Baukosten für z.B. Dämmungen und Heizungsanlagen jedoch hoch sind. So entschieden sich viele Bauherren dagegen, ihre Häuser umfassend zu sanieren, was für den Klimaschutz dringend geboten wäre.
Wenn jetzt die Energiekosten steigen, dann ändert sich das Verhältnis von Aufwand zu Nutzen. Denn die Investition in neue Fenster oder eine gute Fassadendämmung fällt nur einmal an, die Einsparung an Heizenergie jedoch jeden Winter aufs Neue. Wer nur auf die Rendite von Dämmmaßnahmen schaute, der war bei Amortisationszeiten von teils über hundert Jahren nicht geneigt, zu investieren. Verdoppelt sich der Energiepreis, dann halbiert sich die Amortisationszeit. Die Aspekte der Erhaltung und Komfortsteigerung sowie des Klimaschutzes interessieren leider nicht alle Hausbesitzer.
Steigende Energiepreise sollten also zu einer höheren Bereitschaft zur Investition in Dämmmaßnahmen und Heizungsanlagen führen. Das ist dringend notwendig, wenn wir die Klimaziele im Gebäudebestand erreichen wollen: Dämmen, um den Heizwärmebedarf zu begrenzen, und den Restbedarf aus erneuerbaren Quellen decken.
Energiepreise decken Kosten nicht
Energiepreise setzen sich aus diversen Bestandteilen zusammen. Wenn Sie einmal versucht haben, die Rechnung Ihres Stromversorgers zu verstehen, dann wird Ihnen aufgefallen sein, wie viele sehr unterschiedliche Positionen dort aufgeführt sind. Nicht jeder Stromversorger macht es ganz detailliert, aber die Positionen sind doch immer enthalten: Stromerzeugung, -einkauf, Netzentgelte, Konzessionsabgabe, EEG-Umlage, Sonstige Umlagen (KWH, offshore etc.), Stromsteuer, Umsatzsteuer. Bei den anderen Energieformen ist es nicht so umfangreich.
Was aber nicht aufgeführt ist, das sind die Folgekosten. Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik kann Energie nicht verschwinden, genauso wenig wie Dinge (Masse) verschwinden kann. Durchaus aber wird alles umgewandelt und nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik dabei „entwertet“. Wir können z.B.Strom vollständig in Wärme umwandeln, Wärme aber nur teilweise in Strom. Auf Kohle, die einmal verbrannt wurde kann nicht einfach wieder zurück verwandelt werden. Der Kohlenstoff und der Verbrennungssauerstoff verbinden sich zu Kohlendioxid, Dreck fällt auf die Erde, Stickoxide entstehen bei jeder Verbrennung mit Luft, entlang der gesamten Kette von der Förderung bis zum endgültigen Verbrennen werden Stoffe freigesetzt, wie z.B. in immer höherem Maße Methan, das je Einheit noch stärker als Kohlendioxid zur Klimaerhitzung beiträgt.
Unter Anderen hat das Umweltbundesamt die Folgekosten berechnet und die Kosten der langfristigen Wirkungen auf den Zeitpunkt der Emission zurück gerechnet. Es kommen dabei Kosten zwischen 150 und 200 € je Tonne CO2 zu Stande. Diese Kosten werden aber nicht gedeckt. Sie werden den nachkommenden Generationen aufgebürdet. Die Nichtberücksichtigung der Folgen späterer Generationen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem diesjährigen Urteil auf die Klimaklage bemängelt und dem Staat aufgegeben eine gerechte Aufteilung der Reduktionslast bis zum Ziel Nullemission zu planen und in Gesetze zu fassen.
Leider versäumte die gerade entlassene Regierung unter Angela Merkel es, das Urteil adäquat umzusetzen. Wenn auch die nächste, bunte Regierung es nicht schafft uns deutlich auf dem Pfad der Emissionsreduktion anzuführen, dann werden die Kosten zukünftiger Emissionen weiter ansteigen, weil sie immer mehr und kaum oder gar nicht zu behebende Schäden am Klima und dem gesamten Ökosystem der Erde hervorrufen werden. Und natürlich nicht nur in Deutschland sondern auch in allen anderen Ländern der Erde muss dringend gehandelt werden, um die Emissionen an klimaschädlichen Stoffen zu beenden.
Fazit
Aus diesen Gründen ist es ein Segen, dass die Energiepreise steigen. Denn höhere Energiepreise zwingen uns, uns mit unserem Konsum auseinander zu setzen. Was Frankreichs Regierung macht, den Bürgern ein Energiegeld von 100 € zur Kompensation gestiegener Energiepreise zu zahlen, halte ich für groben Unfug. Die Mittel kommen aus dem Staatshaushalt, also aus Steuermitteln, die genau diese Bürger aufgebracht haben. Und es verschwindet in den Säckeln der Energielieferanten. Wieder ein Weg, um die Umverteilung von Arm zu Reich voran zu bringen.
Ich hoffe, dass dennoch der Preisanstieg der letzten Wochen von möglichst vielen Menschen als Anreiz genommen wird, ihren Energiekonsum zu überdenken und zu verringern. Denn der CO2-Gehalt der Atmosfäre ist auch dieses Jahr wieder auf ein Allzeithoch geklettert, der Temperaturanstieg in Deutschland liegt mit 1,6 Kelvin bereits über dem international festgelegten Ziel von 1,5 K und nur noch knapp von dem oberen Wert von 2 K entfernt.
Abbildungsnachweise:
Energiepreisentwicklung, Grafik: IB Matthaei, 2021
Strompreiszusammensetzung, eingebundene externe Grafik von strom-report.de, 2021
Weitere Beiträge zum Thema Energiepreise:
Artikel vom 07.05.2021: Erneuerbare Energie in der Heizung
Artikel vom 20.02.2020: Kritik der Förderpolitik
Artikel vom 18.10.2021 des DEPI: Oktober mit saisonalem Preisverlauf für Holzpellets