Der individuelle Sanierungsfahrplan
Wieder eine Posse der Regierung …
… oder doch ein sinnvolles Instrument?
In den letzten Wochen kommen verstärkt Anfragen nach individuellen Sanierungsfahrplänen (iSFP). Motiviert sind diese Anfragen durch eine um fünf Prozentpunkte höhere Förderung von Einzelmaßnahmen, wenn diese in einem iSFP enthalten sind. Es besteht jedoch eine große Unwissenheit bezüglich dieses Instruments der Energieberatung. Ich nehme es daher hier zum Anlass etwas Aufklärung über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Form der Energieberatung zu geben.
Ziel ist immer ein Effizienzhaus
Zunächst sind viele Schritte gleich mit denen der „normalen“ Energieberatung. Das Gebäude wird integral erfasst, Gebäudehülle und Anlagentechnik werden entsprechend der normativen Regeln bilanziert und eine Analyse des Ist-Zustands deckt auf, wo Schwachpunkte sind. Auch das Ziel des iSFP ist gleich dem „normaler“ Energieberatung. Am Ende soll ein Effizienzhaus stehen, also ein Gebäude, das energetisch so gut wie ein Neubau oder gar besser ist.
Auf dem Weg und in der Darstellung gibt es jedoch Differenzen zwischen der „normalen“ Energieberatung und dem iSFP. In der „normalen“ Energieberatung ist die Energieberaterin in einer dem Bauherrn fachlich überlegenen Rolle. Sie wird Maßnahmen vorschlagen, die a) vorher mit dem Kunden abgestimmt sind, b) die den Mindestanforderungen an Beratungsberichte des BMWi genügen – und in diesem Zusammenhang müssen auch Vorschläge gemacht werden, die dem Sanierer eventuell gar nicht in den Kram passen – und c) wird sie aus eigener Erfahrung und Bewertung Maßnahmen und Ausführungen vorschlagen. Die Wahl, ob die Maßnahmen in eine schrittweise Sanierung oder in eine Sanierung in einem Zug gegliedert werden, wird die Energieberaterin selbständig und in Abstimmung mit den Bauherren treffen.
Der iSFP geht anders
Beim individuellen Sanierungsfahrplan geht es zwingend immer um eine schrittweise Sanierung. Die Schritte müssen auch mit dem Hausbesitzer abgestimmt werden. Das heißt, dass nach der ersten Analyse eventuell ein weiterer Austausch zwischen Energieberater und Bauherrn stattfindet, in dem die Schwachpunkte des Objekts aufgezeigt werden und das grundsätzliche Vorgehen besprochen wird. Es gibt also in dieser Phase mehr Einfluss seitens des Auftraggebers der Energieberatung.
Danach entwickelt die Energieberaterin Maßnahmen(pakete), bilanziert auch diese und berechnet Schätzkosten, Einsparung und Wirtschaftlichkeiten. Der Bericht, der daraus erstellt wird, wird in einem Editor, den der Bund hat programmieren lassen, generiert. Dabei findet auch eine rudimentäre Kontrolle statt, ob alle Angaben gemacht wurden, die zu machen sind.
Die offiziellen Argumente für den iSFP sind:
- „Mit dem iSFP bekommen Sie einen Eindruck davon, was auf Sie zukommt.“ Der iSFP kommt dem Bedürfnis nach Planbarkeit und Sicherheit von Hauseigentümern entgegen.
- „Der iSFP hilft Ihnen, auf Augenhöhe mit Handwerkern und Bauunternehmen Ihre Wünsche umzusetzen.“ Hauseigentümern ist es wichtig, trotz hoher technischer Komplexität die Entscheidungsautonomie bei der energetischen Sanierung zu behalten. Der iSFP ist ein Werkzeug, das Eigentümer in die Lage versetzt, selbst zu entscheiden.
- „Mit dem iSFP begleite ich Sie vertrauensvoll und unterstütze Sie – von der ersten Idee bis zum letzten Schritt.“
Den Ausfluss findet der iSFP dann in zwei PDF-Dokumenten, die garniert mit vielen bunten Grafiken, einen möglichen Sanierungspfad vorzeichnen.
Im ersten Teil wird mit Ampelfarben von tiefrot über gelb zu tiefgrün, mit einigen Schattierungen dazwischen, suggeriert, man verstünde, ob eine Lösung gut oder schlecht sei. Diese Bewertung nimmt jedoch nicht der Energieberater vor, sondern programminterne Algorithmen. Die Fachkompetenz für die Deutung ist also weiterhin gefragt.
Im zweiten Teil werden dann Hinweise zur Ausführung der Maßnahmen und zu den erwarteten Resultaten gezeigt. Auch hier wird nicht mit Farbe bei den Grafiken gegeizt, wohl aber mit Platz für reelle Hinweise zu Ausführungen und möglichen Problemen.
Keine Beratung ersetzt die Planung
Oft besteht die Vorstellung, dass nach der Durchführung einer Energieberatung der sanierungswillige Bauherr mit dem Beratungsbericht zum Handwerker gehen und diesen beauftragen könne. Das wird selten funktionieren. Die Energieberatung bewegt sich auf einem Vorplanungsniveau, in dem das Zusammenspiel einer Vielzahl von Wirkfaktoren betrachtet wird: Energiebedarf, Effizienz, Technik, Machbarkeit, Einsparung, Investitionskosten, Betriebskosten, Fördermittel, Wirtschaftlichkeit, Komfort und Weiteres. Die Energieberatung stellt nach meinem Verständnis eine Entscheidungshilfe zur Verfügung.
Ist dann die Entscheidung gefallen, welche Maßnahmen umgesetzt werden sollen, dann fängt die eigentliche Planung an. Das Wie wird detailliert geplant. Auch das Wann wird in einen Bauzeitenplan einfließen. Eine vertiefte Kostenberechnung findet statt, Angebote werden eingeholt. Und erst dann können Aufträge vergeben werden.
Die „bessere“ Förderung mit iSFP
Werden Maßnahmen umgesetzt, die in einem individuellen Sanierungsfahrplan, der in einer geförderten Energieberatung erstellt wurde, vorgeschlagen wurden und die im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude als Einzelmaßnahme (BEG EM) gefördert werden können, dann erhöht sich die Förderung um 5 Prozentpunkte. Das ist für Maßnahmen an der Gebäudehülle und Anlagentechnik außer Heizungsanlagen von 20% auf 25%.
Die Förderung für Heizungsanlagen mit erneuerbaren Energien, die in der BEG EM gefördert werden, erhöht sich ebenfalls die Förderung um 5 Prozentpunkte. Wird also eine Ölheizung durch eine Pelletsheizung ersetzt, dann gibt es aus der BEG EM 35% Basisförderung plus 10% Zusatzförderung wegen Austauschs der Ölheizung und 5% Zusatzförderung wenn es im iSFP stand. Insgesamt sind das dann 50% Förderung.
Den Aufschlag von 5% gibt es nicht, wenn in einem Zug die im iSFP vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden. Der iSFP zielt also darauf, die schrittweise Sanierung zu fördern.
Übersicht
„normale“ Energieberatung | iSFP | |
zielt auf: | Effizienzhaus | Effizienzhaus |
Sanierungsablauf: | In einem Zug oder in Sanierungsschritten | nur in Sanierungsschritten |
Inhalt des Berichts | alternative Lösungen zur Auswahl, umfangreiche Beschreibung von Maßnahmen | nur ein, mit dem Bauherrn abgestimmter, Weg formalisierte, kurze Hinweise |
Förderung der Sanierung | BEG EM oder BEG EH | nur BEG EM, aber um 5% höher als ohne iSFP |
Für wen geeignet? | z.B. für Hauskäufer, die alles auf einmal machen wollen | z.B. für Hausbesitzer, die Maßnahmen auf viele Jahre trecken wollen |
Kritik am Förderkonzept
Das Instrument des individuellen Sanierungsfahrplans als vereinheitlichtes Berichtstool gibt es nun bereits seit einigen Jahren. Die erhöhte Förderung der Maßnahmen gibt es erst seit diesem Jahr. Der iSFP hat meines Wissens keine besonders große Liebe bei den Energieberatern gefunden, weil die Knebelung in der Berichtserstellung als unsinnig empfunden wurde.
Die Individualität eines Gebäudes und seiner Eigentümer widerstrebt eine, derart standardisierten Vorgehen mit einer vorgegebenen Anzahl an Sanierungsschritten, mit vorgegebener Darstellung in einem sehr begrenzten Rahmen. Vielleicht war es der mangelnde Erfolg dieses Instruments, das das Bundeswirtschaftsministerium dazu veranlasste, durch eine erhöhte Förderung der Sanierung den Nachfragedruck auf die Energieberater zu erhöhen.
Es scheint so, als ob die Bundesregierung, wie überall in unserem Staat, auch bei der Energieberatung ihre Überwachungsmöglichkeiten stärken will. Dazu ist der iSFP praktisch. Die Energieberaterin muss sich in das Korsett pressen, wenn sie ihre Leistung verkaufen will. Für die abwickelnde Behörde, das BAFA, ist es natürlich viel aufwändiger, einen 80 bis 100 Seiten dicken Bericht zu lesen, zu verstehend und auf Konformität mit den Kriterien der Beratungsförderung zu überprüfen. Beim iSFP genügt sich das Programm selbst. Ob die Energieberaterin Unfug gerechnet hat, ob Daten, Maße und Angaben stimmen, lässt sich sowieso nicht nachvollziehen. Aus dem iSFP können auch Kennzahlen wie Energiebedarf und Nutzfläche viel einfacher herausgefiltert werden, womit sowohl unpersönliche Statistiken gefüttert werden, genauso gut aber auch personalisiert Kataster angelegt werden können.
Mir als Energieberater missfällt aber insbesondere die Form, die mir die Freiheit nimmt, dort ausführlich zu werden, wo ich es für nötig halte und dort zu schweigen, wo es nichts zu sagen gibt.
Fazit
Wie bei jeder Förderung greift auch hierbei die Befürchtung der Verhinderungspolitik. Förderung wird als „mir zustehend“ verstanden. Wer die erhöhte Förderung nicht bekommt ist verärgert und lässt es gleich ganz bleiben.
Wohl oder übel werden wir in Zukunft viele iSFP:s erstellen müssen. Die Beratungsqualität wird dadurch zurück gehen.
Der erhöhte Abstimmungsbedarf bereits im Vorfeld der Auftragsanbahnung erhöht unseren Aufwand und damit die Kosten für die Saniererinnen. Diese Mehrkosten werden in vielen Fällen um ein Vielfaches an erhöhter Förderung wieder eingespielt.
Der Planungsaufwand nach der Beratung zur Vorbereitung der Maßnahmen wird vermutlich höher.
Abbildungsnachweise:
sämtliche Grafiken sind aus eigenen iSFP-Berichten des IB Matthaei erstellt.
Weitere Beiträge zum Thema Förderung:
Leistungsangebot: Bundesförderung für effiziente Gebäude
Artikel vom 15.12.2020: Bundesförderung für effiziente Gebäude startet
Artikel vom 28.08.2017: Individueller Sanierungsfahrplan – iSFP
Artikel vom 20.02.2020: Kritik der Förderpolitik