Fassadendämmplatten mit HBCD sind jetzt Sondermüll

Was ändert sich durch die Änderung der Abfallverzeichnisordnung beim Dämmstoff EPS?

Fassadendämmplatten mit oder ohne HBCDNicht Alle mögen das Wärme dämmende Einpacken von Häusern mit Styropor. Die Einwände der Kritiker, das Haus können nicht mehr atmen und ähnlicher Blödsinn wird zwar immer wieder gerne kolportiert, bleibt dabei jedoch Blödsinn. Häuser atmen nicht durch Wände, sondern sie müssen belüftet werden. (Vergleiche auch den Fachbeitrag zur richtigen Lüftung).

Dennoch ist der krümelige, leichte Baustoff namens Expandiertes Polystyrol (EPS) der beliebteste Dämmstoff. Er ist leicht zu verarbeiten und sehr effektiv in der Dämmung. Man hat viele Möglichkeiten der Oberflächengestaltung. Es gibt jedoch ein ganz anderes, sehr viel ernsteres Problem. Alte Fassadendämmplatten enthalten Hexabromcyclododekan (HBCD). Dies wurde als Flammschutzmittel in nicht unerheblicher Menge beigefügt. Es gehört zur Gruppe der sogenannten persistent organic pollutants (POP) und unterliegt seit 2013 einem weltweiten Herstellungs- und Anwendungsverbot.

Expandiertes Polystyrol mit Markennamen wie Styropor und Extrudiertes Polystyrol (XPS) mit Markennamen wie Styrodur gibt es seit Jahrzehnten und mittlerweile von vielen Herstellern. HBCD wurde lange Jahre in Mengen von ca. 7g/kg bei EPS und 25 g/kg bei XPS zugefügt. Es sorgt im Brandfall für eine Verlangsamung der Brandausbreitung und macht damit die Klassierung der mit HBCD dotierten Baustoffe als „schwer entflammbar“ möglich.

Rechtsrahmen hat sich verändert

  • Schon 2008 hat die Europäische Union HBCD aufgrund seiner PBT-Eigenschaften (persistent, bioakkumulierend, toxisch) als „besonders besorgniserregend“ identifiziert.
  • 2011 wurde es in Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen. Damit sind Herstellung und Verwendung von HBCD in der EU zukünftig nur dann möglich, wenn bis August 2014 Zulassungen bei der Europäischen Chemikalienbehörde beantragt und befristet gewährt werden.
  • Seit 2013 gilt HBCD durch die Stockholmer POP-Konvention als langlebiger organischer Schadstoff. Er bedroht die Fortpflanzung vieler Lebewesen und reichert sich an, da er nicht abgebaut wird.
  • Seit November 2014 gilt auch in Deutschland ein Herstellungs- und Anwendungsverbot. Wie immer in solchen Fällen gab es eine Übergangsfrist zur Anpassung bei den Baustoffen.
  • Seit 1. Oktober 2016 gilt eine veränderte Abfallverzeichnisordnung, nach der HBCD-haltige Materialien gesondert zerstört werden müssen.

Entsorgung wird schwieriger

Bislang konnten EPS-Abfälle wie andere Kunststoffe entsorgt werden und entweder einem stofflichen Recycling oder einer allgemeinen Müllverbrennung zugeführt werden. Fortan müssen Fassadendämmplatten aus dem Abbruch von Fassaden oder ausgebaute Dachdämmung auf ihren HBCD-Gehalt überprüft werden. Enthalten sie diesen POP mit mehr als 0,1%, dann müssen die Mengen bereits auf der Baustelle getrennt erfasst werden und auf kontrollierten Wegen einer zugelassenen Müllverbrennungsanlage (MVA) zugeführt werden.

Das HBCD ist ungefährlich, soweit es fest eingebaut ist. Niemand muss sich also Sorgen machen, krank zu werden, weil er in einem in den 70er-Jahren Styropor-gedämmten Haus lebt. Die Austragung durch die Luft ist minimal. Doch sobald die Stoffe frei werden, können sie ins Wasser oder die Erde gelangen und ihren unkontrollierbaren Weg nehmen. Daher ist es wichtig, beim Abriss eine saubere Trennung vorzunehmen und die Gefahrstoffe über zugelassene Entsorger vernichten zu lassen. Für die schnelle Diagnose gibt es ein Verfahren mit Röntgenfloureszenzanalyse. Geschultes Personal kann so auf der Baustelle schnell erkennen, ob das Abbruchmaterial das gefährliche HBCD enthält.

Fassadendämmung aus EPS mit HBCD durch Verbrennen beseitigen

Müllheizkraftwerk AWG WuppertalDa HBCD wieder aus der Welt verschwinden soll, ist jegliche stoffliche Nutzung verboten. Der Gefahrstoff muss zerstört werden, was nach derzeitigem Stand der Technik nur in der Verbrennung sicher erfolgen kann. Müllverbrennungsanlagen (MVA, links ein Foto des Müllheizkraftwerks der AWG Wuppertal) haben auch bisher schon Polystyrolabfälle verbannt. Sie treffen dabei auf das Problem sehr hohen Energiegehalts bei sehr geringer Dichte. EPS, XPS und ähnliche Stoffe können also nur in geringen Mengen zugefügt werden und müssen im „Bunker“ mit anderen Abfallstoffen gut vermischt werden.

So ist die überhaupt abnehmbare Menge begrenzt. Durch die neue Schlüsselung in der Abfallverzeichnisverordnung dürfen die MVA jedoch diesen Abfall nur abnehmen, wenn sie dafür auch eine Zulassung haben. Bislang hat nicht einmal die Hälfte der MVA diese Zulassung. Es könnte also in den nächsten Monaten und Jahren einen Engpass geben, der die Entsorgungspreise nach oben drücken könnte.

An sich ist aber der Weg der Verbrennung nach allen bisherigen Erkenntnissen praktikabel und ungefährlich.

Polystyroldämmplatten auch künftig schwer entflammbar

Auch zukünftig werden viele Häuser weiter mit EPS gedämmt werden. Der Empfehlung des Umweltbundesamts (UBA) dies durch z.B. Mineralwolle zu ersetzen, werden wenige Bauherren nachkommen, weil Mineralfaserdämmung eben doch ein paar Euro mehr kostet.

Wie der Industrieverband Hartschaum (IVH) mitteilt, wird seit 2014 kein HBCD mehr eingesetzt. Der Flammschutz konnte durch Polymer-FR (FR für flame retardend) ein Ersatz gefunden werden, der als unbedenklich gilt. Bromiertes Styrol-Butadien-Copolymer, Polymer-FR oder auch pFR ist auch geeignet die Klassierung von Styropor als B1 – schwer entflammbar zu gewährleisten.

Der Brandschutz ist jedoch nicht nur ein Materialthema. Dem konstruktiven Brandschutz kommt gerade bei der Fassadendämmung ein hoher Stellenwert zu. Brandriegel aus nicht brennbarem Material über den Geschossen oder Fassadenöffnungen erreichen mehr als jeder chemische Flammschutz im Baustoff.

Fazit:

Die Änderung der Abfallbeseitung von HBCD-belastetem Dämmstoff hat wenig direkte Auswirkungen auf Hausnutzer. Der sichere Entsorgungsweg über die MVA wird in den nächsten Jahren technisch gelöst. Durch die geringe Gefährdung in der Nutzung, wie auch beim Hantieren mit dem Dämmstoff (anders als z.B. bei Asbest-haltigen Baustoffen, die nur unter großen Schutzmaßnahmen bearbeitet werden dürfen), wird sich der Aufwand in Grenzen halten. Insbesondere mit Abriss beauftragte Fachfirmen müssen zukünftig auf die Erkennung auf der Baustelle und das saubere Sortieren achten.

Bildnachweise:
Fassadendämmung, Foto: Archivbild Ingenieurbüro Matthaei
Müllheizkraftwerk in Wupertal-Küllenhahn, Foto: O.Matthaei 2015

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Fachbeitrag zu: Fassadendämmung

Ingenieurbüro Matthaei