Energie-Effizienz – Bau-Ökologie – Klimaschutz
Öko-Dämmstoff vs. Styropor!
Es soll untersucht werden, ob mit nachwachsenden, ökologischen Dämmstoffen eine bessere Energiebilanz erreicht werden kann. Derzeit wird meist mit Expandiertem Polystyrol (EPS) gedämmt. Das wird unter hohem Energieaufwand aus Erdöl produziert und kann nach der Verwendung nur noch energetisch verwendet werden.
Herstellung von EPS
EPS, auch oft mit dem Markennamen Styropor bezeichnet, ist ein hervorragendes Dämmmaterial. Es ist billig, leicht zu verarbeiten und hat sehr gute Dämmeigenschaften. Der Wärmeleitwert beträgt mittlerweile im Standard λ = 0,035 W/mK. Es gibt EPS mit bis zu λ = 0,032 W/mK. Gegen das leichte Entflammen des reinen Materials wird ein Inhibitor zugesetzt. Früher war dies das hochgiftige Hexabromcyclododecan (HBCD). Dieser Stoff ist dem EPS nur zugesetzt und wäscht sich mit der Zeit heraus, weswegen das Deponieren des EPS nicht zulässig ist. Die Verwertung in Müllverbrennungsanlagen ist hingegen unproblematisch und sinnvoll.
Mittlerweile wurden polymere Flammschutzmittel entwickelt, die fest mit dem EPS verbunden sind. Doch auch für die neuere Generation von EPS wird zumeist die thermische Verwertung am Ende eines hoffentlich langen Dämmstofflebens stehen.
EPS benötigt zur Herstellung nicht nur die aus Erdöl gewonnenen Grundmaterialien sondern auch noch eine ganze Menge Energie. Es kann mit ca. 1000 kWh/m³ gerechnet werden, ein Wert, der sicherlich herstellerabhängig höher oder niedriger ausfallen kann. Das CO2-Äquivalent beträgt ca. 300 kg/m³.
Verwendung als Dämmstoff
Wird dieses Material nun in einer Wand eingebaut, dann spart es durch die Dämmwirkung Heizenergie ein. Nehmen wir eine Verwendungsdauer von 50 Jahren an (Länge des life-cycles), dann lässt sich diese eingesparte Energiemenge berechnen. Weitere Annahmen:
Die Wand hat vor dem Dämmen einen Wärmedurchgangskoeffizienten von U = 1,0 W/m²K
Das Klima sei innen ein EnEV-Standardklima von 19°C und außen ein Deutschland-Standardklima (Potsdam). Es wird mit einer Gradtagszahl von 65 kKh/a gerechnet.
Es wird jeweils eine Fläche von einem Quadratmeter betrachtet.
Jährliche Energieeinsparung in Abhängigkeit von der Dicke des EPS-Dämmstoffs:
Je dicker die Dämmung, desto höher die Einsparung. Es fällt jedoch auf, dass der Zuwachs der Einsparung mit zunehmender Dicke immer weiter fällt. Mathematisch: Die Steigung nimmt ab. Dagegen ist der Energieaufwand für das EPS proportional zu dessen Dicke. Pro Zentimeter Dämmdicke im Beispiel mit 1000 kWh/m³ wird je Quadratmeter gedämmter Fläche ein Aufwand von 10 kWh erforderlich. Das ist ziemlich genau die Menge an Energie, die in einem Liter Heizöl enthalten ist.
LifCycle-Bilanz in Abhängigkeit von der Dicke des EPS-Dämmstoffs:
Setzt man von der über fünfzig Jahre kumulierten Einsparung den energetischen Aufwand für den Dämmstoff ab, dann kommt man zu nebenstehender Kurve. Diese wird nicht nur flacher, sondern ändert bei ca. 300 mm Dämmdicke sogar die Richtung. Noch mehr Dämmen bringt dann keine Energieeinsparung mehr. Dieses energetische Optimum ist natürlich abhängig von der Länge der Verwendungszeit, also des „life cycles“. Je länger das Material genutzt werden kann, desto besser die lc-Bilanz.
Fazit aus diesen Betrachtungen ist: Auch die Dämmung mit EPS spart in der Gesamtdauer der erwarteten Lebenszeit des Bauteils viel mehr Energie ein, als dafür aufgewandt wird.
Mineralfasserdämmung
In manchen Fällen darf EPS nicht als Dämmstoff verwendet werden. Insbesondere bei höheren Wohngebäuden sind die Auflagen sehr hoch (vergleiche Artikel vom 7.12.2012: Brandrisiko bei WDVS beherrschbar. Hier bietet sich z.B. die Dämmung mit Mineralfasern an. Diese werden überwiegend durch Verflüssigen von Glas (Glasfaser) oder Mineralien (Mineralfaser) und Spinnen von Fasern durch Düsen hergestellt. Sie werden mit verschiedenen Klebstoffen zusammengehalten, um sie als Klemmfilz, harte oder weiche Matten je nach Anwendungszwecke zu konfektionieren.
Mineralfasern (MF) sind unbrennbar, was sie vielseitiger einsetzbar macht als EPS. MF haben ihre Wärme dämmende Eigenschaft aus dem Luftraum zwischen den Fasern. Der Dämmstoff muss so eingebaut werden, dass die Luft nicht hindurchstreichen kann, das ist wie bei einem Wollpullover. Erst mit der Windjacke darüber entfaltet er seine volle Dämmwirkung. Die Wärmeleitfähigkeit liegt bei λ = 0,035..0,04 W/mK. Es gibt auch MF-Dämmung mit bis zu λ = 0,032 W/mK.
Die Herstellenergie wird mit ca. 500 kWh/m³ angegeben. Damit benötigt die Herstellung von Mineralfaserdämmung nur etwa halb so viel Energie, wie die von Styropor. Die Entsorgung kann nur durch Deponieren erfolgen. Da es keine Möglichkeit gibt, das Material ausreichend rein wieder zu gewinnen, scheidet Recycling aus. Auch andere stoffliche Verwertung ist nicht möglich. Immerhin werden MF als in der Deponie komplett unschädlich angesehen.
LifCycle-Bilanz in Abhängigkeit von der Dicke des MF-Dämmstoffs:
In nebenstehender Grafik ist die Energiebilanz bei einer Lebensdauer von 50 Jahren aufgeführt. Der geringere Energieeinsatz für die Herstellung des Dämmstoffs führt dazu, dass bis zu einer Dämmstoff-Dicke von 45 cm die Energiebilanz sich noch verbessert. Anders ausgedrückt: Bei gleicher Dämmstoffdicke wie beim EPS amortisiert sich MF schneller.
Das wird auch in der nachfolgenden Grafik gezeigt:
Verhältnis Ertrag : Aufwand in Abhängigkeit von der Dicke des EPS-Dämmstoffs:
Hier wird die Energieeinsparung während einer fünfzigjährigen Nutzungsdauer ins Verhältnis gesetzt zum Aufwand, der für die Herstellung der MF-Dämmung benötigt wird. Die alte Weisheit zeigt sich hier wieder: der erste Zentimeter zählt am meisten.
Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass man möglichst wenig dämmen soll, um das beste Verhältnis von Aufwand zu Nutzen zu bekommen. Die vorstehende Grafik zeigte den Gesamtnutzen und das Maximum bei 45 cm.
Auch darf nicht die energetische Amortisierung mit der finanziellen Amortisierung gleich gesetzt werden. Im Fachbeitrag Fassadendämmung hat Olof Matthaei ein Beispiel vorgerechnet und gezeigt, dass das finanzielle Optimum meist bei 160-200 mm Dämmstoffdicke zu liegen kommt. Für den Bauherrn gibt es also die Aufgabe, zwischen eigenwirtschaftlichem Interesse (finanzielle Optimierung) und gemeinschaftlichem Interesse (ökologische Optimierung) abzuwägen. Die EnEV zeigt Grenzen auf, indem sie maximale U-Werte der Bauteile gesetzlich vorschreibt. Die KfW hilft manchmal, die Entscheidung noch etwas in Richtung ökologischer Optimierung zu korrigieren, indem sie die Ausführung mit geringeren U-Werten fördert.
Öko-Baustoffe: Nachwachsend und gesund
Unter dem Titel Ökobaustoffe findet man eine Vielzahl an traditionellen und auch neuen Baustoffen, die unter baubiologischer Sicht (Innenwirkung auf die Bewohner) und unter ökologischer Sicht (Außenwirkung auf die Umwelt) besser sind, als eine Vielzahl der üblicherweise verwendeten Baustoffe. Hierzu zählen traditionelle Materialien wie Lehm, Stroh und Holz, aber auch in neuartigen Werkstoffen verbundene Materialien wie Lehmstroh-Platten, die in der Verwendung den Gipskartonplatten ähneln, oder Zelluloseflocken, die aus Altpapier gewonnen werden, also bereits einen erheblichen Produktionsprozess hinter sich haben.
Öko-Dämmstoffe: Naturmaterialien mit Dämmwirkung
In diese Kategorie fallen Baumaterialien, die zum Einen die baubiologischen und ökologischen Kriterien der Öko-Baustoffe erfüllen, zum Anderen die Funktion des Dämmens erfüllen können. Dies sind z.B. Strohballen, diverse Fasermaterialien aus Holz, Flachs (Hanf), Kokos, Sisal, Seegras, Wolle, dann Kork als eine Art Naturschaum. Als aus ökologischer Sicht grenzwertig anzusehen sind Perlite, ein vulkanisches Naturmaterial. Es handelt sich nicht um einen nachwachsenden Stoff.
Definitiv nicht zu den Öko-Baustoffen zählen wir Glasschaum, auch wenn mit einem hohen Anteil Altglas produziert wurde, oder Mineralschäume, die unter Markennamen wie Ytong, Multipor, Masterclima aus verschiedenen Ausgangsmaterialien gewonnen werden. Diese Baustoffe sind teilweise baubiologisch hervorragend, durch ihre Produktionswege jedoch ökologisch nicht mit Holz und Stroh vergleichbar und definitiv nicht nachwachsend.
Hier sei beispielhaft eine Dämmung aus pflanzlichen Naturfasern herausgegriffen, um den Unterschied zu den oben vorgestellten, klassischen Baumaterialien EPS und MF zu verdeutlichen. Pflanzliche Fasern sind z.B. Jutefasern aus alten Säcken, Seegras (vergleiche meinen Beitrag vom 21.01.2016: Dämmstoffliste überarbeitet) oder ähnliches. Der Wärmeleitwert wird hier mit λ = 0,045 W/mK angesetzt, also deutlich schlechter als bei EPS und MF. Das bedingt größere Dämmdicken, um gleiche U-Werte zu erreichen. Der Aufwand für die Herstellung ist vergleichsweise sehr gering. Lediglich 70 kWh/m³ müssen angesetzt werden. Die Varianz ist jedoch sehr groß. Abhängig davon, wie weit das Urmaterial noch weiter verarbeitet wird, oder ob es aus Altmaterial gewonnen wird, dessen bisheriger Lebensweg nicht noch einmal berücksichtigt werden muss, sind vermutlich Werte zwischen 30 und 250 realistisch.
LifCycle-Bilanz und Ertrag:Aufwand in Abhängigkeit von der Dicke des Öko-Dämmstoffs:
Die beiden Grafiken unterscheiden sich nicht besonders von jenen, der weiter oben stehenden. Der Zusammenhang ist genau gleich. Wesentlich anders ist im linken Bild, dass im Bereich bis zu 75 cm Dämmdicke noch kein Ende des Zuwachses an Netto-Energieeinsparung erreicht ist. Beim Zusammenhang zwischen Einsparung und Herstellenergie zeigt sich ein noch weit günstigeres Verhältnis als bei den konventionellen Industrieprodukten. Im typischen Bereich von 200 mm Dämmdicke bringt die Öko-Dämmung nicht nur 25 mal ihren eigenen Aufwand an Dämmung wie das EPS, sondern gleich das 200-fache.
In der Entsorgung der Reste auf der Baustelle wie auch der Abbruchreste nach Ende der Nutzungsdauer sind Öko-Dämmstoffe recht unproblematisch. Reine Stoffe können oft 1 zu 1 wieder/weiter verwendet werden. Was nach Ende der Nutzung aus Abbruchhäusern kommt, ist wahrscheinlich nicht rein genug. Es kann daher einem Recycling vermutlich nicht zugeführt werden. Dagegen können die Materialien oft kompostiert werden (downcycling) und sind in der Müllverbrennung als Energieträger nützlich.
Während ihrer Nutzungsdauer binden die organischen Öko-Baustoffe Kohlendioxid und dienen somit zusätzlich als CO2-Senke. Die Verbrennung oder Kompostierung bringt dann kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre.
Auch preislich können sich die Natur-Dämmstoffe sehen lassen. Sie sind nicht teurer als EPS, müssen jedoch dicker angebracht werden und manchmal hat der Ausführende einen etwas höheren konstruktiven Aufwand zu betreiben. Es gibt auch deutlich weniger Unternehmen, die Erfahrung mit Öko-Baustoffen haben und Planer scheuen das vermeintlich höhere Reklamationsrisiko.
Fazit: Mit Öko-Dämmstoffen kann sowohl aus bau-biologischer Sicht wie auch aus ökologischer Sicht und finanziell alles richtig gemacht werden. Die Energie-Einsparung wird bei höheren Dämmstoffdicken erreicht, der Aufwand für die Herstellung ist wesentlich geringer, fossile Ressourcen werden praktisch nicht angetastet.
Bildnachweise:
Sämtliche Grafiken: Ingenieurbüro Matthaei 2016
Weitere Beiträge zum Thema Dämmung und Ökobaustoffe:
Fachbeitrag Dämmung und Dämmstoffe
Artikel vom 18.08.2014: Alter Dämmstoff: Strohballendämmung
Artikel vom 20.03.2014: Wärmedämmung mit Holzschaum
Artikel vom 26.07.2015: Strohgedämmte Außenwand – feuerbeständig F90-B
Kommentar
2016-02-05, 19:36 schrieb Leo:
Hey, cooler Artikel.
Interessant fände ich zusätzlich noch Energetische Amortisationszeit.
Z.B. bei jeder Dämmvariante einen Standardfall. (14cm Dämmdicke gibts
häufig, oder?)
Nach Ablesen aus den Grafiken bei 10cm Dämmdicke komme ich ungefähr auf:
- 2 Jahre bei EPS
- 1 Jahr bei MF
- 3-8 Monate bei Öko (je nach angenommenem Primärenergieaufwand)
Das deckt sich ja auch mit Deiner Kategorisierung und wäre nochmal eine
griffige Zahl, die man sich leicht merken kann.
Wieviel % wird es teurer, wenn man Öko verwendet anstatt EPS (im 0815-Standardfall)?
Ist Öko leichter entflammbar als EPS?
Viele Grüße
Leo
(Autor ist der Radaktion bekannt)
2016-02-09, 08:49 schrieb Webmaster:
Und noch ein Hinweis erreichte uns von Olivia Wolf, PR-Mitarbeiterin bei BENZ24.de, einem Online-Shop für Baustoffe.
Sie weist auf einen entkommerzialisierten Ratgeber über ökologische Dämmstoffe hin. Dieser kann über den Link auf dem Bild der Frontseite heruntergeladen werden.
Der Ratgeber handelt u. a. über die Vorzüge, Anwendungsbereiche, Förderungsmöglichkeiten und Kosten verschiedener Naturdämmstoffe. Außerdem haben wir die Unterschiede zwischen einzelnen ökologischen Dämmstoffen herausgearbeitet und vieles mehr.
Hinzu kommt, dass wir in dem Leitfaden unabhängige Dämmstoffexperten und Vereine für ein Interview oder einen Gast-Artikel gewinnen konnten. Dazu zählen z. B. der Verband Privater Bauherren e. V., die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. und die Energieheld GmbH.
Dieses E-Buch beantwortet dann auch die vorher von Leo aufgeworfenen Fragen.