Der Sanierungsfahrplan
Von der Energieschleuder zum Wohlfühl-Niedrigenergie-Super-Sparhaus gibt es einen Weg, der durch einen Dschungel an Planungsarbeit führt. Der Sanierungsfahrplan des Energieberaters soll diesen Weg aufzeigen und verhindern, dass sich der Bauherr (oder die Bauherrin) in den Höhen der abgefahrensten Technik oder den Sümpfen der öffentlichen Fördermittel verirrt.
Darüber, wie solch ein Sanierungsfahrplan aussehen soll, was er beinhalten muss und wovor tatsächlich gewarnt werden muss, gibt es keine einheitliche Meinung. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat Mindestanforderungen an die geförderte Energieberatung gestellt und prüft jeden Bericht. Bei vielen Energieberatern und deren Kunden stößt diese Form auf Widerstand. Zu viel Gängelei, zu wenig Rücksicht auf die individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten der Bauherren. Der Arbeitsaufwand wird oft als unangemessen hoch angesehen, was die Energieberatung unnötig verteuere. Die Aussagen seien nach Ansicht vieler Energieberater unrichtig, weil durch Normierung von Klima und Nutzerverhalten nicht Objekt-bezogen.
Warum kann eine Energieberatung nicht kurz und knapp sein? Warum kann nicht einfach die optimale Lösung aufgezeigt werden und damit dem Bauherren ein Weg aufgezeigt werden? Diese Frage impliziert, dass es genau ein Optimum und nur einen möglichen Weg gibt. Aber das ist nicht so. Häuser sind genau so vielfältig wie Menschen.
Ebenso wenig, wie wir Menschen Roboter aus einer Serie sind, sind Häuser Normbauten. Die Versuche zum Entwurf von „one-fits-all“-Gebäuden, wie sie z.B. in der DDR mit der Plattenbauweise aus ewig gleichen Betonfertigteilen versucht wurden, oder wie sie in Trabantenstädten Frankreichs oder Schwedens in den 60er und 70er-Jahren entstanden, werden heute großenteils ablehnend betrachtet – selbst in den inzwischen aufgehübschten und bunter gemachten Varianten der sanierten Blöcke.
Dagegen erleben die meisten Menschen die vielseitige, individuelle Architektur mittelalterlicher Bauten als schön. Diese entspricht mehr der natürlichen Welt, in der der Mensch sich entwickelt hat. Konstatieren wir zunächst: Individuelle Pläne sind aus ästhetischen Gründen erwünscht. Doch auch aus technischen Gründen ist eine komplette Vereinheitlichung nicht sinnvoll. Auch wenn natürlich die Normierung der Größe von Ziegelsteinen oder der Mischungsverhältnisse in Fertigklebern für Kalksandsteine oder die Bemessung der Wärmeleitfähigkeiten von Stoffen eine erhebliche Vereinfachung für die damit Planenden oder Ausführenden bedeuten, muss nicht aus jedem Baustoff das gleiche Bauteil und nicht aus jedem gleichen Bauteilaufbau das gleiche Gebäude erstellt werden. Der Trick, mit dem LEGO ® groß geworden ist, war, ewig gleiche Bauteile zu machen, aus denen unendlich viele verschiedene Dinge gebaut werden können.
Form follows function
Die Standorte der Gebäude und deren Nutzung bestimmen das Gebäude: Form follows function. Ob ein Haus im wenig tragfähigen Sumpf, auf hartem Felsenhang oder auf ebenem, trockenem Sand gebaut wird, macht verschiedene Gründungen erforderlich. Ob es sich im feucht-tropischen Klima des Kongo, im sonnigen Freiburg, dem regnerisch-kühlen Harz befindet oder gar eine arktische Forschungsstation auf ewigem Eis erbaut wird, spielt ebenso eine Rolle, wie die darin stattfindende Nutzung. Ein Kühlhaus, das konstant auf -23°C gehalten werden muss, ist etwas anderes als ein Schlafzimmer, in dem 18°C als perfekt empfunden werden, oder eine Schwimmhalle, in der die Kinder schon unter 25°C anfangen zu bibbern. Selbst innerhalb eines kleinen Landes wie Deutschland sind die klimatischen Unterschiede groß und müssen berücksichtigt werden.
So ergeben sich unterschiedliche Anforderungen, die technisch – und wirtschaftlich – umzusetzen sind. Dennoch gibt es gewisse Grundregeln, die (immer wieder neu und angepasst) anzuwenden sind. Im eher kühl-gemäßigten Klima Deutschlands ist über den größten Teil des Jahres die Außentemperatur weitaus geringer als die gewünschte Innentemperatur von Wohn- und sonstigen Aufenthaltsräumen. In Wuppertal oder Goslar ist in den meisten Häusern die Zeitspanne, in der auf Heizung komplett verzichtet werden kann, maximal drei Monate lang. Im Jahresmittel liegen zwischen innen und außen etwa 12 Kelvin (innen 20°C, außen 8°C). Diese Temperaturdifferenz ist der Antrieb, der die Wärme nach draußen schiebt.
Wärmedämmung
Zunächst ist daher eine Barriere zwischen Warm und Kalt zu setzen, die es der Wärme schwerer macht, zu entweichen. Dafür reicht schon eine Zeltplane, deren Wärmewiderstand jedoch äußerst gering ist, wie jeder weiß, der sich schon einmal im Wintercamping versucht hat. Eine Wärmedämmung muss her. Und so ist grundsätzlich der erste Ansatz der Gebäudesanierung (also der Anpassung bestehender Gebäude an heutige Anforderungen des Komforts und der Energieeffizienz) sämtliche (!) Bauteile zu dämmen, bzw. bestehende Dämmungen zu verstärken. Dabei kommen mehrere Aspekte zum Tragen:
- Ausreichender Komfort ist bei U-Werten unter etwa 0,80 W/m²K gegeben.
- Je geringer der Wärmedurchlasswert ist, desto geringere Heizlast.
- Der sommerliche Wärmeschutz muss beachtet werden.
- Der (Energie-)Aufwand für die Dämmung soll nicht größer sein, als die (Energie-)Einsparung über ihre Lebensdauer.
Der Energieberater macht es an sich selber vor: Wenn es kalt ist zieht er sich an. Vorher analysiert er, wo die größten Wärmeverluste auftreten. Beim Menschen ist dies am Kopf, aber eine Mütze und keine Socken, wäre auch verrückt, oder?
Leider können wir dem Haus die Wärmedämmung nicht wieder ausziehen. Was der Mensch mit seiner Kleidung leicht erledigt und im Mai die Winterkleidung im Schrank verstaut, das geht mit fest verbauten Dämmungen am Haus nicht so einfach. Vielleicht entwickelt ein findiger Tüftler einmal eine Hausdämmung mit Sommerfunktion. Jedenfalls wird die Dämmung für die Anwendung und die Ansprüche des Bauherrn angepasst werden. Im Bestandsbau wird dazu analysiert, wo welche Wärmemengen entweichen und welche Möglichkeiten der Dämmung es gibt. Nicht immer kann alles getan werden, was energetisch wünschenswert wäre. Begrenzungen können Baugrenzen auf Grundstücksgrenzen darstellen, wenn der Nachbar nicht bereit ist, einen 20 cm breiten Streifen abzugeben; Oder die Höhe von Kellerräumen ist nicht ausreichend, um ein entsprechendes Dämmpaket darunter zu kleben.
Die Wirtschaftlichkeit von Dämmmaßnahmen lässt sich gewöhnlich recht gut berechnen. Energieeinsparung, Energiekosten und Investitionskosten können ermittelt und zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Die Tiefe, in der diese Betrachtungen erfolgen, kann sehr unterschiedlich sein. Ebenso sind die Rendite-Erwartungen sehr verschieden. Der Eine ist zufrieden, wenn die Maßnahmen sich in 30 Jahren amortieren, für den Anderen muss dies unbedingt schon nach fünf Jahren geschehen sein. Die häufig gefundenen Darstellungen, die pauschale Einsparpotenziale über die verschiedenen Bauteile darstellen, sind hierbei mit Vorsicht zu genießen. Zu verschieden sind die Bestandsgebäude und nur der individuell ausgearbeitete Sanierungsfahrplan der Energieberatung wird eine zum realen Objekt passende Darstellungen geben.
Heizung
Wie gut auch die Dämmung sein mag, im realen Klima ist eine Beheizung notwendig. Wieder zeigt uns der Energieberater, wie er das als Mensch versteht. Nachdem er sich warm angezogen hat, nimmt er einen Schluck heißen Tee zu sich: Wassergebundene Beheizung. Stellen wir ihn uns einmal nackt vor und fragen uns, ob er überhaupt so viel warmen Tee trinken könnte, wie er dann bräuchte. Vermutlich nicht!
Als Erdöl im Überfluss vorhanden zu sein schien und die Kumpels im Ruhrgebiet die Erde nach Kohle durchwühlten und jedes Jahr mehr Tonnen davon förderten, machte man sich keine Gedanken über die Begrenztheit dieser Ressourcen. Heute wissen wir, dass nicht nur alles auf dieser Erde begrenzt ist, sondern auch, dass wir mit den Abgasen aus der Wärmegewinnung durch Verfeuern fossiler Energieträger die Atmosfäre mit Kohlendioxid und anderen Stoffen anreichern, die zu einer Erwärmung der Biosfäre führen, die letztlich auch die Menschheit bedroht. Wir haben begriffen, dass wir den Einsatz fossiler Rohstoffe reduzieren und den CO2-Ausstoß auf maximal 2,7 Tonnen pro Jahr und Person begrenzen müssen.
Umgerechnet auf ein Energieäquivalent, erzeugt aus Erdgas (Methan), entspricht dies 17.650 kWh pro Jahr. Allerdings darf in dieser Energiemenge nicht nur die Wohnungsbeheizung gezählt werden, sondern muss der gesamte Aufwand gerechnet werden. Also auch die Energiemengen für Autofahren, Nahrungsmittelproduktion und sämtliche Produkte, die wir benutzen. Zum Vergleich: Die derzeitige CO2-Emission pro Einwohner Deutschlands liegt bei ca. 11 Tonnen im Jahr und überschreitet damit die für ein Klimaschutzziel von 2 Kelvin maximal zulässige Zahl (2,7 t/a) um das Dreifache.
Wie kann nun die Beheizung unseren „ökologischen Fußabdruck“ kleiner machen?
Sofern wir nicht komplett auf die Beheizung verzichten wollen, ist es nötig
a) wie oben beschrieben zu dämmen,
b) die zu beheizende Fläche weitest möglich zu verringern. (Wir müssen wieder kleiner wohnen!) und
c) effektive Heizanlagen unter Einbeziehung erneuerbarer Energie zu installieren.
Wieder kommt dem Energieberater eine entscheidende Aufgabe zu. Denn er (bitte: Sie, die Energieberaterin, ist damit natürlich auch gemeint) kann Vorschläge machen und den Erfolg berechnen. Der Heizanlage kommt weitaus weniger als der Dämmung ein Spareffekt zu. Natürlich können wir verschiedene Anlagen hinsichtlich ihrer Kosten (Anschaffung, Unterhaltung, Betriebskosten, Energiekosten) vergleichen. Aber klar ist immer: Heizen kostet! Es gibt keine Heizung, die aus sich selbst heraus Gewinne machen könnte. In wenigen Gegenden ist die vulkanische Aktivität so nah an der menschlichen Behausung, dass sie direkt genutzt werden könnte und die zeitliche Disparität von solarem Energieangebot und Wärmebedarf ist hinlänglich bekannt. Dennoch sind derartige Wärmequellen nutzbar.
Derzeit ist immer noch der Brennwertkessel der von vielen akzeptierte Stand der Technik für die Beheizung. Für den Installatör ist ein Brennwertkessel fast genau so einfach einzubauen, wie ein Niedertemperaturkessel oder gar (die gibt es aber fast nicht mehr) ein Konstanttemperaturkessel. Die Unterschiede in der Effizienz dieser Geräte bewegen sich im Bereich weniger Prozente. Ein verantwortungsvoller Bauherr oder Planer wird immer versuchen, erneuerbare Energiequellen zu erschließen.
Erneuerbare Energie
In jedem Sanierungsfahrplan werden Sie daher Vorschläge für alternative Heizenergie finden. Im einfachsten Fall ist dies Solarwärme. Auch Holzpelletheizungen lassen sich bei vorhandenem Lagerraum erwägen. Anspruchsvoller in der Planung sind dagegen Erd-Wärmepumpen oder Luft-Wärmepumpen. Je nach den Gegebenheiten des Objekts sind verschiedene Vorschläge möglich, andere dagegen nicht. Die Prüfung der Umsetzbarkeit sollte frühzeitig erfolgen, um nicht zu lange falschen Pfaden durch den Sanierungsdschungel zu folgen.
Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Einen wichtigen Aspekt, der in keinem Sanierungsfahrplan fehlen sollte, ist die Luftdichtheit. In dem Maße, in dem ein Haus gut Wärme gedämmt ist, steigen anteilsmäßig die Lüftungswärmeverluste an. Es wird also entscheidend mit darauf ankommen, die Gebäudehülle zu dichten. Dies ist ein großes Planungsthema, das im Sanierungsfahrplan angesprochen aber nicht erschöpfend behandelt sein wird. Aus der Luftdichtheit folgt das Thema der kontrollierten Belüftung. Denn Luft brauchen Mensch und Haus immer. Energetisch sinnvoll wird dann die kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung. Lesen Sie mehr zu diesem großen Thema im entsprechenden Fachbeitrag.
Sanierungsfahrplan – und dann?
Der Sanierungsfahrplan wird vom Energieberater in einer sehr frühen Planungsphase erstellt. Er ist noch nicht die Durchplanung mittels derer die Maßnahmen umgesetzt werden könnten. Eher ist er vergleichbar mit einem Atlas, der diverse mögliche Routen aufweist. Nach der Orientierung darin, entscheidet der Bauherr sich (vorläufig) für eine grobe Trasse. Dann kommt die Feinarbeit der Routenplanung mit Wegen und Stationen. Noch immer können vom Bauherrn Änderungen vorgenommen werden. Zum Beispiel, wenn die in der feiner werdenden Planung ermittelten Kosten das Budget übersteigen, oder plötzlich Hindernisse auffallen, die vorher nicht sichtbar waren. Gerade in der Altbausanierung stößt man oft auf ungeahnte Schwierigkeiten: Eine Wasserleitung nimmt einen anderen Verlauf, als gedacht; Ein Wandaufbau ist völlig anders als der Bauplan suggerierte; Die Statik lässt eine geplante Änderung am Dach nicht zu; … Wer sich mit einem Gebäude einlässt erlebt ebenso Überraschungen, wie beim Kennenlernen eines anderen Menschen.
Mit zunehmender Tiefe der Planung und besonders wenn dann die Ausführung anfängt, werden die Änderungsmöglichkeiten geringer. Gerade deshalb ist eine gute Planung zu Beginn eines Sanierungsvorhabens wichtig. Der Sanierungsfahrplan der Energieberatung ist der erste Schritt. Danach folgt die Detailplanung und die Baubegleitung. Parallel dazu sind die wirtschaftlichen Themen der Energieeinsparung und der Fördermitteleinwerbung abzuarbeiten.